Ischgl: Wer war nun wirklich schuld?
Eine Kommission hat das Krisenmanagement in Ischgl untersucht. Der Tiroler Skiort wurde im März zu einem Corona-Hotspot, auf den tausende Infektionen in ganz Europa zurückzuführen sein sollen. Die Untersuchung kommt zu dem Schluss, dass der Betrieb der Seilbahnen zu spät eingestellt wurde und die Quarantäne-Ankündigung zu Panik führte. Kommentatoren sehen weitere Verfehlungen.
Kurz' PR-Stunt hat Chaos erzeugt
Der Standard sieht Kanzler Kurz verantwortlich für das folgenschwere Abreise-Chaos:
„Auch wenn die Quarantäneverordnung für Ischgl und Co … zu spät kam, so hätte sie in einem für Polizei und Politik kontrollierbaren Rahmen ablaufen müssen. So wurde gehudelt, Verwirrung gestiftet und letztlich dafür gesorgt, dass sich tausende Touristen unkontrolliert über Europa verteilten. ... Kurz wollte Kante zeigen, die Tiroler, die gerade an einem geregelten Quarantäneplan tüftelten, 'overrulen' und sich als Macher inszenieren. Durch seinen PR-Stunt hat er eine Torschlusspanik erzeugt. ... Wenn Kurz schon unbedingt eine Quarantäne verkünden wollte, hätte diese rückwirkend oder ab sofort und nicht erst in ein paar Stunden gelten müssen. ... Eine Entschuldigung ist überfällig.“
Ein Epidemiegesetz aus Kaisers Zeiten
Für die Kleine Zeitung lag das Problem vor allem im System:
„Einzelne Fehleinschätzungen in jenen Märztagen ... sind einfacher nachzuvollziehen, als dass die Republik es über Jahre verschlafen hat, sich auf solche Krisen vorzubereiten. Obwohl Sicherheitsexperten ... vor globalen Pandemien ... warnten, arbeitete Österreich Anfang dieses Jahres noch immer mit einem Epidemiegesetz, das im Wesentlichen seit Kaisers Zeiten unverändert war. Die Fachabteilungen der Länder hätten die Erlassung eines modernen Gesetzes in den vergangenen Jahren 'immer wieder eingemahnt', heißt es in dem Bericht. Ein Entwurf sei zwar im Gesundheitsministerium fertig ausgearbeitet worden, aber - genau wie eine Aktualisierung des Pandemieplans von 2006 - 'auf Grund eines Regierungswechsels wieder zurückgestellt worden'. Das ist das eigentliche Versäumnis in einem angeblich gut verwalteten Land.“
Schon werden wieder Skireisen vertickt
Für müßig hält die Erstellung von derlei Berichten De-Volkskrant-Kolumnistin Sheila Sitalsing:
„In den nächsten Jahren werden noch viel mehr solcher Untersuchungen erscheinen. Mit Überlegungen, welche Behörden in Europa zu nachlässig waren oder zu streng. Und ob das verwerflich ist, oder ob man eine solche Naturkatastrophe schlicht nicht ordentlich managen kann. Und ob es nicht auch so etwas wie individuelle Verantwortung gibt. Wenn man mit einem Finger auf jemand anderen weist, zeigen drei Finger auf einen selbst. Von Dezember bis April liegt Schnee in Ischgl. ... Jetzt werden wieder Skireisen dorthin verkauft. Für einen günstigen Preis und 'natürlich werden alle Sicherheitsmaßnahmen beachtet'.“