Nationalist siegt in Nordzypern: Teilung zementiert?
Der bisherige Premier Ersin Tatar hat mit 51,7 Prozent die Stichwahl um das Präsidentenamt der international nicht anerkannten Republik Nordzypern gewonnen. Ihm unterlag der bisherige Präsident Mustafa Akıncı. Während sich Akıncı für eine Wiedervereinigung der geteilten Insel einsetzt, tritt der Erdoğan-nahe Tatar für eine Zwei-Staaten-Lösung ein.
Akıncı hat zu viele Zugeständnisse gemacht
Hürriyet Daily News glaubt zu wissen, warum Akıncı die Wahl verloren hat:
„Es war Akıncı, der fast alle türkisch-zypriotischen roten Linien in den Zyperngesprächen überschritten hat. Er war es, der der griechischen Seite erstmals in der mehr als 60-jährigen Geschichte der Zyperngespräche eine Landkarte mit territorialen Zugeständnissen gab, ohne das Bedürfnis zu verspüren, mit der türkisch-zypriotischen Regierung oder mit der Ankara-Regierung zu beratschlagen. Er war es, der sagte, dass der Garanten-Status der Türkei kein 'sine qua non' sei und mit einer internationalen Truppe ersetzt werden könne. Er hat knapp verloren, aber er hat verloren.“
Referendum über die kulturelle Identität
Mit der Abwahl Akıncıs steht Nordzypern vor einem kulturellen Wandel, erklärt die Neue Zürcher Zeitung:
„Akıncı wusste den Teil der Wähler hinter sich, die wie er auf die Wiedervereinigung in einem föderativen Staat hoffen. Es sind zum einen ältere Nordzyprioten, die sich ... noch an die Zeiten erinnern, als beide Volksgruppen gemeinsam auf der Insel lebten. Zum anderen unterstützte ihn eine jüngere, gebildete Generation, die ihre Zukunft eher in einem EU-Staat als in einem isolierten, weltweit nur von der Türkei anerkannten und von Ankara in jeder Hinsicht abhängigen Staatsgebilde sieht. Dieser Teil der Nordzyprioten ... ist liberal, lebt säkular und schätzt die Meinungs- und Pressefreiheit. ... Nicht umsonst galt die Wahl als Referendum über die künftige kulturelle und politische Identität des Inselteils.“
Verdruss und Resignation gewinnen die Wahl
Wie viel Porzellan auf Zypern schon zerbrochen ist, beschreibt Murat Yetkin in seinem Blog:
„Akıncı war für eine Fortsetzung der Verhandlungen, doch seine Forderungen nach einer Lösung über den Weg des Dialogs fanden bei den griechischen Zyprioten keine Erwiderung und die EU sah ihn nicht als primären Ansprechpartner. Tatar dagegen repräsentiert den Teil der Bevölkerung, der die Hoffnung aufgegeben hat, dass die Verhandlungen zu einem Ergebnis führen, und der deshalb die Zukunft in einer engen Zusammenarbeit mit der Türkei sieht. ... In seiner ersten Ansprache nach der Wahl hat Tatar die EU dazu aufgerufen, 'gerecht' zu sein. Das ist zweifellos mehr die Proklamation einer Haltung als ein Appell, von dem man hofft, dass er erfüllt wird. Vielleicht ist unter Tatar Schluss damit, dass die Fortführung der Verhandlungen [von Brüssel] als Hebel gegen die türkisch-zypriotische Regierung ausgenutzt wird.“
Weitere Spannungen sind programmiert
Die Wahl wird den Frieden kaum befördern, befürchtet der Türkei-Korrespondent der taz, Jürgen Gottschlich:
„Eine Lösung im Streit um die Rohstoffe im östlichen Mittelmeer wäre entschieden leichter, wenn die griechischen und türkischen Zyprioten die Teilung der Insel überwinden und wieder zu einer gemeinsamen Regierung kommen würden. Im Gegensatz zu dem bisherigen Präsidenten, dem linken Mustafa Akıncı, ist der Wahlsieger vom Sonntag, der rechte Ersin Tatar, dazu aber nicht mehr bereit. Er setzt auf Erdoğan und notfalls eine Vereinigung mit dem türkischen Mutterland statt auf Gespräche mit den Zyprioten auf der anderen Seite der Demarkationslinie.“
Akıncı oder Tatar - am Ende hat Erdoğan das Sagen
Was die Zypernfrage betrifft, ist der Wahlausgang letztlich nicht entscheidend, erklärt hingegen der Gastkommentator der HuffPost Greece, Christodoulos Yiallourides:
„Sowohl in der griechischen Öffentlichkeit als auch unter den Griechen Zyperns wird die Auffassung vertreten, dass der Sieg Tatars die Spaltungen verstärken wird, während ein Sieg Akıncıs einen 'positiven' Gesprächsverlauf für eine Lösung des Zypernproblems bedeutet hätte. ... Doch auch wenn Akıncı gewonnen hätte, wären die Handlungsoptionen begrenzt, da Ankara das letzte Wort in den Verhandlungen hat. ... Jede Entwicklung in Bezug auf den besetzten Norden Zyperns wird absolut und unbestreitbar vom türkischen Präsidenten bestimmt.“