Erdoğan will Wirtschaft und Justiz reformieren
Recep Tayyip Erdoğan hat am Dienstag weitreichende Wirtschafts- und Rechtsreformen angekündigt. Ziel sei es, die Rechtslage zu stabilisieren und das Investitionsklima zu verbessern. Die türkische Wirtschaft verzeichnet 2020 enorme Einbrüche, auch die Lira verlor dramatisch an Wert. Kommentatoren überlegen, was für Reformen Erdoğan meint und welche für das Land tatsächlich attraktiv wären.
Wird er sich ins eigene Fleisch schneiden?
Karar ist skeptisch, ob der türkische Präsident konsequent sein wird:
„Erdoğan sagt: 'Die Türkei soll zu einem Anziehungspunkt mit geringem Risiko, hoher Sicherheit und lukrativem Gewinn für nationale und internationale Investoren gemacht werden.' Schön und gut, aber der einzige Weg dahin führt über eine Wiederherstellung zerstörter Reformen. Und es bedeutet, dass die Regierung nicht wie bisher Verfassung, Gesetze und öffentliche Einrichtungen so ändern darf, dass sie noch mehr Macht ausüben kann, sondern mit Grundsätzen wie Kontrolle und Gleichgewicht, freier Justiz und Selbstverwaltung der Institutionen eine Begrenzung der eigenen Macht verwirklichen muss! Selbstverständlich wünscht sich die Regierung von Herzen die ausländischen Investoren - aber wünscht sie sich auch das?“
Zuckerbrot fürs Kapital, Peitsche fürs Volk
Der türkische Präsident hat keine demokratischen, sondern rein kapitalistische Reformen im Sinn, glaubt Evrensel:
„Wenn der Präsident von 'rechtlichen Neuregelungen' und von 'Justizreform' spricht, meint er weder die Unabhängigkeit der Justiz, noch faire Prozesse. Er spricht von verwaltungsrechtlichen Maßnahmen, mit denen er dem Kapital Sicherheiten geben will. ... Und was soll das Volk für die Reformversprechen der Ein-Mann-Regierung bezahlen? ... Auch darauf hat Präsident Erdoğan eine Antwort: 'Staat und Nation werden dem Geist dieser kritischen Zeiten entsprechend handeln und bei Bedarf nicht davor zurückscheuen, das richtige Rezept anzuwenden, selbst wenn es bitter schmecken sollte.' ... Im Ergebnis bedeutet das, dass Erdoğan dem monopolistischen Kapital nicht nur Sicherheiten gibt, sondern auch für noch mehr Gewinn und Ausbeutung bürgt.“