G20-Gipfel: Viel Einigkeit, wenig Konkretes
Auf ihrem Videogipfel am Wochenende haben sich die Spitzen der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer zur vertieften Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Corona-Krise und – mit Ausnahme von US-Präsident Trump – zu gemeinsamen Anstrengungen für den Klimaschutz bekannt. Konkrete Konzepte, wie diese Herausforderungen gemeistert werden sollen, vermissen Beobachter allerdings.
Problem erkannt - und jetzt?
Bei den dringenden globalen Themen wie der gerechten Verteilung eines Covid-Impfstoffes hat der Gipfel keinen Fortschritt gebracht, zeigt sich El País enttäuscht:
„Mehrere Teilnehmer haben mehrfach darauf hingewiesen, dass der Covid-19-Impfstoff in allen Ecken des Planeten verfügbar sein muss, nicht nur in den Ländern, die sich Masseneinkäufe leisten können. Die WHO muss beim Kampf gegen die Pandemie eine Schlüsselrolle spielen, wie es Ursula von der Leyen richtigerweise gefordert hat. ... Donald Trumps systematische Verunglimpfungen der Organisation haben es bisher erschwert, dass der Kampf rational und global geführt wird. Abgesehen davon, dass das Problem erkannt wurde und gute Absichten bekundet wurden, hat dieser G20-Gipfel aber nichts Greifbares gebracht.“
Allzu geräuschlos über die Bühne gegangen
Einige Staats- und Regierungschefs dürften wohl froh gewesen sein, nicht nach Riad reisen zu müssen, vermutet der Deutschlandfunk:
„König Salman die Hand zu schütteln, hätte angesichts der Menschenrechtsverletzungen des Regimes zu Diskussionen und unschönen Bildern geführt. Die Ermordung des Journalisten Khashoggi möchte die Staatengemeinschaft wohl am liebsten vergessen machen, bei einem Video-Gipfel fällt das besonders leicht. Zumindest wurde Saudi-Arabien dank Corona die Chance genommen, sich auf internationaler Bühne als generöser Gastgeber zu präsentieren. Wenn Vizekanzler Olaf Scholz den Geist der multilateralen Zusammenarbeit heute beschwört, kann man nur darauf hoffen, dass sich im nächsten Jahr unter der Präsidentschaft Italiens manches zum Besseren wendet und die Weltöffentlichkeit auch spürt, dass ein G20-Gipfel stattgefunden hat!“
Der beste Vorschlag kam aus der falschen Ecke
Ein interessanter Vorstoß, wie trotz Pandemie der internationale Reiseverkehr wieder in Gang gebracht werden könnte, dürfte aus niederen Beweggründen scheitern, bedauert Ria Nowosti:
„Die Schaffung eines internationalen, allgemein akzeptierten 'Digitalbelegs', dass ein Tourist, Diplomat oder Geschäftsreisender gesund ist und wegen des Virus geschlossene Grenzen quarantänefrei überqueren darf, ist eine gute Idee. Aber seine Chancen sind vorerst minimal, obwohl man diese Maßnahme sofort bräuchte und sie relativ leicht umsetzbar wäre. Realisiert wird sie vor allem deshalb nicht, weil es sich um einen Vorschlag des Vorsitzenden Xi handelt. Und die westlichen Führer können aus Imagegründen prinzipiell nichts annehmen, was Peking vorschlägt - erst recht, wenn der Vorschlag den hohen Entwicklungsstand der chinesischen IT demonstriert.“
Die Welt wird kooperativer
Der Analyst Cristian Unteanu bezieht sich in Adevărul auf die Erklärung der G20-Staaten, gemeinsam für eine gerechte Verteilung von erschwinglichen Corona-Impfstoffen zu sorgen, und sieht dies als gutes Zeichen für künftige globale Kooperationen:
„Abgesehen von Donald Trump scheinen die Weltenführer der Ansicht zu sein, dass sie von nun an gezwungen sind, Formeln einer ausgedehnten und vertieften Zusammenarbeit zu finden, die die Grenzen überholter politischer Ideologien überwindet. ... Genau das ist die neue ideologische Linie: Sie verkündet den Eintritt in die nächste Epoche der menschlichen Entwicklung, die alles andere als einfach und angenehm sein wird, wie bei allen Abenteuern, die niemand vorhersehen kann. … Die Abschlusserklärung zeigt, dass die Anführer versuchen, aus Parteiideologien auszubrechen, die noch immer die Debatten in den Ländern dominieren.“