Biden-Kabinett: Neustart mit bewährten Kräften
Der gewählte US-Präsident Joe Biden hat am Dienstag die ersten zehn Kandidaten seines Kabinetts vorgestellt. Sechs davon sind Weggefährten aus Obama-Zeiten, unter anderem Antony Blinken, der Außenminister werden soll, und Avril Haines als Leiterin der Geheimdienste. Kommentatoren loben überwiegend die Kompetenz und Diversität des Teams. Es gibt aber auch Zweifel, ob es Bidens Wahlversprechen gerecht werden kann.
US-Demokratie gestärkt
Für El País sind Bidens erste Personalentscheide ein Zeichen der Hoffnung:
„Antony Blinken als Außenminister ist eine gute Nachricht für die Wiederherstellung der Rolle der USA in der Welt, für Europa und den Multilateralismus. Der Veteran John Kerry ist Garant für die Wende in der Klimapolitik. ... Bedeutsam ist auch die Ernennung von Frauen in Schlüsselpositionen - Avril Haines an der Spitze des Geheimdienstes und Janet Yellen im Finanzministerium - sowie eines Hispanoamerikaners, Alejandro Mayorkas, im Ministerium für Heimatschutz. ... Sie stärken erst einmal die Widerstandsfähigkeit der Demokratie und die ersten Entscheidungen des gewählten Präsidenten.“
Yellen ist die Beste
Der Journalist Alan Friedman äußert sich in La Stampa begeistert darüber, dass die frühere Notenbank-Chefin Janet Yellen Finanzministerin werden soll:
„In der gesamten Geschichte Amerikas hat es so gut wie noch nie einen Finanzminister mit solchen Qualifikationen und Erfahrungen gegeben, die diese außergewöhnliche Frau besitzt. Man darf sie sich als amerikanischen Mario Draghi vorstellen. ... Anspruchsvoll, fortschrittlich, moderat, geduldig und sehr, sehr kompetent. ... In den 1990er Jahren, mit Clinton im Weißen Haus, war sie Vorsitzende des Rates der Wirtschaftsberater. Von 2014 bis 2018 war sie die erste Frau, die die amerikanische Zentralbank, die Federal Reserve, leitete. Sie trug dazu bei, die US-Wirtschaft auf den Weg des Aufschwungs zu führen. Nun ist sie aufgerufen, dies zu wiederholen.“
Extrapunkte für Diversity
Polityka lobt die gute Durchmischung des Kabinetts:
„Die angekündigten Nominierungen, die am Dienstag offiziell bekannt gegeben wurden, zeigen, dass das Kabinett das demographische Profil der zunehmend mosaikartigen US-Gesellschaft widerspiegeln wird. Einige Nominierungen haben historischen Charakter - zum ersten Mal werden sie an Frauen oder Vertreter nicht-weißer Minderheiten vergeben. ... Avril Haines zum Beispiel wird als erste Frau zur Direktorin des nationalen Geheimdienstes ernannt.“
Das wird nicht reichen
Le Temps sieht die vielen Gesichter aus der Obama-Administration kritisch:
„Da Donald Trump bestimmt noch nicht damit aufhört, seinen Nachfolger aufs Glatteis zu führen, und die Demokraten nicht über die notwendige Parlamentsmehrheit verfügen werden, wird ein neues 'Obama-Team' nicht ausreichen, um die Lage grundlegend zu ändern, vor allem ohne die Talente und die rhetorische Stärke von Obama selbst. Die Welt hat sich in der Zwischenzeit verändert. Ob es einem passt oder nicht, es waren sehr wohl die Obama-Jahre, die neben vielen weiteren Faktoren zum plötzlichen Auftauchen Donald Trumps geführt haben. Joe Bidens Priorität muss nun darin bestehen, nicht selbst zu einem einfachen Intermezzo zu werden.“