CDU-Vorsitz: Wie Europas Presse die Kandidaten sieht
Die CDU wählt am morgigen Samstag ihren neuen Vorsitzenden. Für Europas Presse reicht die Bedeutung der Wahl über die Partei und Deutschland hinaus. Ob einer aus dem Kandidatentrio das Format hat, nicht nur Annegret Kramp-Karrenbauer nachzufolgen, sondern als neuer Bundeskanzler auch Angela Merkel, beurteilen die Kommentatoren eher skeptisch.
Laschet hat die besten Chancen
Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident dürfte im Rennen um die Nachfolge Merkels die Nase vorne haben, glaubt The Economist:
„Laschets Unterstützer loben seine Fähigkeit, Brücken zu bauen und gegensätzliche Standpunkte zu vereinen, während Rivalen seine Fähigkeit anerkennen, parteiübergreifend zu arbeiten. Sein scherzhaftes und bescheidenes rheinisches Auftreten steht im Gegensatz zu der geschmeidigen Gelehrsamkeit von Röttgen oder der harten Arroganz von Merz. Es ist keine schwere Sünde, wenn man Laschets grundlegende Ansichten - abgesehen von einer streng katholischen Pro-Life-Haltung - nicht wirklich erkennen kann. Immerhin hat Merkel Deutschland 15 Jahre mit Erfolg geführt und niemand ist sich wirklich sicher, wofür sie steht.“
Merz ist ein Relikt der Vergangenheit
Krytyka Polityczna kritisiert den Favoriten:
„Merz selbst spricht gerne über die Erneuerung der CDU. Doch seine Kandidatur symbolisiert eine Rückkehr in die Vergangenheit. Dies gilt nicht nur für den Inhalt, sondern vor allem für den Stil seiner Politik. Merkels Strategie war es, sozialen Stimmungen zu folgen, Konflikte zu beseitigen und die Ideen der Konkurrenten zu übernehmen. … Merz tut das Gegenteil. Er sucht nach Streitigkeiten, in denen er sich als furchtloser und kompromissloser Krieger profilieren kann, welcher auf jede Herausforderung einfache und kurze Antworten gibt. … Diese Auferstehung des politischen Machismus deutscher Form erinnert nicht nur an die Zeit unmittelbar vor der Merkel-Ära, sondern auch an die Bonner Republik.“
Entscheidung über Europas Anführer
Diena betont die Tragweite dieser Personalfrage:
„Die Frage, wer von den Kandidaten der Vorsitzende der CDU wird, ist nicht nur für die Partei selbst und Deutschland wichtig. Nach dem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union und wegen der chaotischen Außenpolitik des französischen Präsidenten Macron hat der Einfluss Berlins in der EU deutlich zugenommen. Dementsprechend wird am Samstag auch der neue De-facto-Führer des vereinten Europas gewählt. Die Covid-19-Pandemie, innenpolitische Peripetien und andere Faktoren haben die Symbole der liberalen Demokratie -USA und Großbritannien - erschüttert. Die Aussichten für die Zukunft sind nicht gerade rosig. Aus diesen Gründen sieht man Deutschland symbolisch als wichtigsten Fackelträger der liberalen Demokratie auf der globalen Ebene.“
Das wichtigere Rennen wird noch nicht entschieden
Als Kanzlerkandidat kommt keiner der drei Anwärter für den CDU-Vorsitz in Frage, glaubt Berlin-Korrespondent Paolo Valentino in Corriere della Sera:
„Die drei haben alle starke Nachteile und eher niedrige Popularitätswerte. Aus unterschiedlichen Gründen: Merz, weil er zu konservativ ist, nicht gerade ein Vorkämpfer für Frauen und Minderheiten, jähzornig und zu verhasst bei den Grünen, dem wahrscheinlichen künftigen Regierungspartner. Laschet, weil es ihm an Charisma fehlt und sein Management der Pandemie in Nordrhein-Westfalen kritisiert wird. Röttgen, weil er zu technokratisch ist und ein wenig wie ein unbekanntes Objekt aus dem Nichts kam. Viel viel besser als die drei gefallen den Wählern stattdessen der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder und der junge Gesundheitsminister Jens Spahn.“