Okonjo-Iweala wird WTO-Chefin
Der Allgemeine Rat der Welthandelsorganisation (WTO) hat in Genf erstmals eine Frau zur Generalsekretärin ernannt: die Nigerianerin Ngozi Okonjo-Iweala. Die 66-jährige Ökonomin ist auch die erste Afrikanerin in dem Amt, das vor ihr der brasilianische Diplomat Roberto Azevêdo innehatte. Die Erwartungen an sie sind dementsprechend hoch.
Historische Personalie, durchwachsenes Portfolio
Isolda Agazzi vom Schweizer Entwicklungshilfe-NGO-Thinktank Alliance Sud beurteilt die Wahl in ihrem Blog bei Le Temps verhalten optimistisch:
„Die Tatsache, dass eine Afrikanerin zur Generalsekretärin ernannt wird und dass sie ihr Engagement für Entwicklung bekräftigt hat, ist vielversprechend. Erleichterter Zugang für arme Länder zu Impfstoffen, Tests und anderem Schutzmaterial gegen Covid ist fundamental. … Man darf sich jedoch nicht täuschen. Ngozi Okonjo-Iweala war zweimal Finanzministerin von Nigeria und hat 25 Jahre bei der Weltbank gearbeitet, zu deren Nummer Zwei sie sogar aufstieg. Sie ist also eine überzeugte Liberale, die in ihrem Land Privatisierungen geleitet hat mit den dramatischen sozialen Konsequenzen, die uns bekannt sind. Sie hat sich allerdings auch im Kampf gegen Korruption hervorgetan und einen Erlass von 65 Prozent der Staatsschulden errungen.“
Eine fast unmögliche Mission
Die neue Generaldirektorin wird mit Erwartungen befrachtet, die sie trotz ihrer Erfahrungen kaum erfüllen kann, befürchtet die taz:
„Sie soll die seit 20 Jahren anhaltende Blockade der WTO überwinden. Eine Mission, die sich schon für ihre zwei Vorgänger, den Brasilianer Robert Azevêdo und den Franzosen Pascal Lamy, als unmöglich herausstellte. Und das, obwohl beide bei ihrer Berufung langjährige Vorerfahrungen bei der WTO mitbrachten. Der Blockade liegen objektive Interessenkonflikte der Mitgliedstaaten zugrunde. Seit dem WTO-Beitritt Chinas 2000 können sich die vier Wirtschaftsmächte USA, EU, Japan und Kanada, anders als noch in den 1990er Jahren, nicht mehr durchsetzen. Und die Konflikte dürften sich in den kommenden Jahren weiter verschärfen.“
Baustelle Impfstoffpatente
La Stampa hofft, dass arme Länder bei der Impfstrategie nun nicht vergessen werden:
„Ngozi Okonjo-Iweala hat etwas mehr als vier Jahre eine entscheidende Aufgabe, bei der die ehemalige nigerianische Finanzministerin all jene Qualitäten einer Verhandlungsführerin aufbieten muss, die selbst ihre Kritiker anerkennen. ... Das erste der Dossiers betrifft das Programm für den Zugang zu Impfstoffen und deren geistigem Eigentum, wesentlich für den globalen Wirtschaftsaufschwung nach Covid. Mehrere Länder, wie Indien und Südafrika, haben um eine Lockerung der Regeln gebeten, die Patente für Impfstoffe schützen. ... Es wird erwartet, dass Ngozi Okonjo-Iweala darauf reagiert.“