Hartes Urteil gegen Frankreichs Ex-Präsident Sarkozy
Nicolas Sarkozy ist am Montag wegen Bestechung und unerlaubter Einflussnahme zu drei Jahren Haft, davon zwei auf Bewährung, verurteilt worden. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass er sich 2014, nach seiner Zeit als französischer Präsident, unerlaubt Einblick in Justizakten verschaffte, um Ermittlungen gegen seine Person besser einschätzen zu können. Welche Bedeutung hat das Urteil?
Gewaltenteilung funktioniert wieder
Das Pariser Urteil kommt in Frankreich einer Revolution gleich, jubelt Le Soir:
„Woher kommt diese Revolution? Von der französischen Presse, die in den vergangenen Jahren zu ihrer Unabhängigkeit zurückgefunden hat und damit zum Investigativjournalismus - es geht um den Respekt für das öffentliche Interesse. Und von der Justiz, die ebenfalls wieder ihren Beitrag leistet. Im Verlauf des Prozesses [gegen Sarkozy], der mit Hilfe von Abhörprotokollen geführt wurde, hat der zuständige Staatsanwalt präzisiert: 'Dies ist kein Racheakt. … Ein früherer Staatschef hat Rechte, die zu achten sind, aber er hat auch die vorrangige Pflicht, den Rechtsstaat zu achten.'“
Korruption als Grundzustand
Das Urteil wird wenig Auswirkungen haben, weder auf die französische Gesellschaft, noch auf Sarkozy selbst, meint Kolumnist Jonathan Miller in The Spectator:
„Korruption ist eine Art Grundzustand der französischen Innenpolitik. Sie beschäftigt lediglich Kenner der Szene und erregt darüber hinaus nicht viel öffentliche Aufmerksamkeit. … Die Strafen [von VIPs] werden in der Regel in Sozialstunden oder Hausarrest umgewandelt. Sarkozy wird gegen sein Urteil Berufung einlegen, es bleibt abzuwarten, wie das ausgeht. [Das Gefängnis] La Santé ist tatsächlich mit einem VIP-Sonderbereich ausgestattet, zu dessen früheren Insassen [der Terrorist] Carlos der Schakal und [der Romancier] Jean Genet gehörten. Aber die Einrichtungen sollen noch recht primitiv sein. Ich riskiere nicht viel, wenn ich wette, dass Sarkozy nicht eine Nacht dort verbringen wird.“
Justiz ist zu politisch
Dass Sarkozy mit Hilfe von abgehörten Telefongesprächen überführt wurde, zeigt die Politisierung der französischen Justiz, beschwert sich le Figaro:
„Diese gestohlenen Worte sind in Wahrheit Ergebnis einer beständigen und skrupellosen Justizkampagne seitens der Nationalen Finanzstaatsanwaltschaft. ... Die Beispiele aus der jüngsten Zeit, in denen die Richter entscheidende politische Akteure waren, kehren an die Oberfläche zurück: Einstellung der Ermittlungen gegen Nicolas Sarkozy in der Bettencourt-Affäre nach jahrelangem Prozess, ungewohnte Schnelligkeit der Staatsanwaltschaft gegen François Fillon, das wie ein lähmendes Gift auf dem Pandemiemanagement lastende juristische Risiko. … Gewiss müssen Politiker beispielhaft sein, nichts schützt sie vor der Härte der Gesetze. Doch was gestattet der Justiz, der Hybris nachzugeben, die sie bei den Volksvertretern schonungslos verfolgt?“
Die Rechtsextremen profitieren
Dies ist nicht der erste Fall, in dem ein französischer Ex-Präsident verurteilt wurde, erinnert Naftemporiki:
„Im Jahr 2011 wurde der damals 79-jährige Jacques Chirac wegen Unterschlagung öffentlicher Gelder zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Seine Abenteuer am Rande des Rechts waren so bekannt, dass die sozialistische Jugend bei der Stichwahl zur Präsidentschaft 2002 gegen Jean-Marie Le Pen den Slogan 'Stimme für den Betrüger, aber nicht für den Faschisten' nutzte. ... Was ist los mit Frankreichs Politikern? Sind sie anfälliger für Korruption als andere Staatsoberhäupter oder machen französische Gerichte ihre Arbeit besser? Wie dem auch sei, es ist sicher, dass all dies dazu beigetragen hat, dass die rechtsextreme Marine Le Pen heute bei den Meinungsumfragen an der Spitze steht und hoffen kann, die Präsidentschaftswahl 2022 zu gewinnen.“