Wird Impfstoff in der EU ungerecht verteilt?
Erst gab es Kritik an der Beschaffung, nun auch an der Verteilung von Impfstoffen in der EU: Österreich, Bulgarien, Lettland, Slowenien, Tschechien und Kroatien haben in einem Brief an die Kommission bemängelt, dass das Bestellsystem riesige Ungleichheiten schaffe. EU-Haushaltskommissar Hahn verwies auf nicht genutzte Kontingente und die Probleme mit Astrazeneca. Auch Kommentatoren lassen die Kritik nicht durchweg gelten.
Sündenbock Brüssel
Die EU trifft keine Schuld für das schlechte Krisenmanagement einiger Staaten, die auf den billigsten Impfstoff von Astrazeneca gesetzt haben, meint Kolumnist Goranko Fižulić auf Telegram.hr:
„Ich fürchte, dass der Brief der sechs Premiers, darunter auch Andrej Plenković, nur ein Versuch ist, die Schuld für die eigenen schlechten Entscheidungen abzuwälzen und als Alibi gegenüber der eigenen Öffentlichkeit dienen soll. ... Die EU-Kommission ist sicherlich nicht verantwortlich für die Fehler bei der kroatischen, niederländischen [sic], lettischen oder bulgarischen Impfstoffbestellung, die offensichtlich zuallererst vom Preis und den Lager- und Distributionsbedingungen beeinflusst wurde und nicht vom Erfolg der klinischen Untersuchungen.“
Exporte in reiche Länder sind Armutszeugnis
Dass die EU trotz Knappheit 34 Millionen Impfstoffdosen in alle Welt exportiert hat - auch nach Großbritannien -, empört Irish Examiner:
„Wären diese Dosen in arme Länder gegangen, hätte man vielleicht mit größeren Bedürfnissen argumentieren können. Dass sie in reiche Länder geliefert wurden, bestätigt nur, dass sich in der Wirtschaft letztlich die Größten und Stärksten durchsetzen. ... In einem globalen Programm wie diesem muss mit Schwierigkeiten, Ungleichheiten und gelegentlichen Unehrlichkeiten gerechnet werden, und es wird mehr davon geben. Dennoch sollten wir von der EU viel mehr erwarten als ein Schulterzucken und die Nachricht, dass sechs Mal mehr Impfstoffdosen aus der EU exportiert wurden, als in Irland benötigt werden - während wir beim Impfen immer wieder neu um Geduld ersucht werden.“
Bürokratie nicht hilfreich
Die Zulassung der Impfstoffe könnte immerhin schneller ablaufen, findet Krónika:
„Den guten Willen bei der gemeinsamen Impfstoffbeschaffung der EU kann man zwar kaum bezweifeln, jedoch macht die aktuelle Lage immer deutlicher, dass mit dem guten Willen keine ausreichende Entschlossenheit und Professionalität einhergeht. Hinzu kommt, dass die Europäische Arzneimittel-Agentur (Ema) die Impfstoffe nur unglaublich langsam zulässt, und als sie infrage gestellt wurde, im typisch bürokratischen, phlegmatischen Ton der EU-Behörden antwortete: Sie werde in Erwägung ziehen, das Genehmigungsverfahren zu beschleunigen.“
Eigene Kapazitäten stärken, Handel ermöglichen
Schweden und die EU sollten dafür sorgen, dass sie bei künftigen Pandemien zweigleisig fahren können, meint Expressen:
„Die Entscheidung Italiens, den Export einer Viertelmillion Dosen nach Australien zu blockieren, bedeutet immer noch eine gefährliche Eskalation. ... Diese Art von Verhalten kann auf lange Sicht den Zugang der EU zu Impfstoffen verringern. ... Der Glaube, dass wichtige Güter auch in Krisenzeiten frei fließen können, hat sich als naiv erwiesen. ... Neue Fabriken, die schnell die besten Lizenzvarianten produzieren können, können Teil der Lösung für künftige Pandemien sein. Ohne internationalen Handel, die Einhaltung von Vereinbarungen und den Wettbewerb zwischen verschiedenen Impfstoffherstellern ist der Kampf gegen das nächste Virus garantiert teurer, schwieriger und langwieriger.“