Transparenz sieht anders aus: Rutte unter Druck
Neue Runde in der sogenannten Kinderbeihilfen-Affäre in den Niederlanden: Protokolle aus dem Ministerrat zeigen, dass die Regierung dem Parlament wichtige Informationen bewusst vorenthalten und kritische Abgeordnete gemaßregelt hat. Der derzeit kommissarisch regierende Premier Mark Rutte gerät damit mitten in den Koalitionsverhandlungen unter scharfen Beschuss für sein Verständnis von Führung und Demokratie.
Wir müssen zurück zur Demokratie
NRC Handelsblad erkennt grundlegende strukturelle Probleme und fordert eine Wende:
„Gerade jetzt, da es während der Koalitionsgespräche und in der öffentlichen Debatte um eine neue Führungskultur geht, ist es wichtig, dass die Gepflogenheiten der Regierung Rutte schwarz auf weiß festgehalten sind. Die dahinter liegenden Probleme sind strukturell. Loyalität gibt es in jedem Kabinett. Überraschungen werden ausgeschlossen mit dicken Koalitionsverträgen, die den Spielraum des Parlaments einschränken. 'Abstimmungen' finden - unter der letzten Regierung Rutte mehr als je zuvor - im informellen Rahmen statt. ... Das macht Regierungen unkontrollierbar. Parteien müssen bei den Koalitionsgesprächen deutlich machen, wie sie diese Kultur durchbrechen wollen. Darauf hat der Wähler ein Anrecht.“
Wer ist hier unanständig?
Volkskrant-Kolumnistin Sheila Sitalsing ist entsetzt über das das, was in der Mitschrift ans Licht kommt:
„Etwa in der Hälfte des Protokolls kam das Wort 'anständig' vor. Wir sahen uns zu Hause erwartungsvoll an - sprach hier ein Mitglied des Kabinetts voller Reue über die unanständige Weise, mit der der Staat seine eigenen Bürger überfahren hatte? Aber nein. Es ging um Abgeordnete, die dem Staatssekretär wütend aufgetragen hatten, alles, was der Staat [im Umgang mit den Familien] kaputt gemacht hatte, zu reparieren. Das war 'unanständig' von den Abgeordneten, fand der Premier . ... Menschen kaputt machen, das ist offenbar ok - solange man darüber 'anständig' redet.“