Wieder mehr Bootsflüchtlinge auf dem Mittelmeer
Mit milderem Wetter steigt die Zahl der Menschen, die vor politischer Instabilität und Not von Nordafrika übers Mittelmeer nach Südeuropa fliehen. So erreichten am Dienstag mehr als 2.000 Personen den Hafen der italienischen Insel Lampedusa; viele andere ertrinken jedoch bei der Überfahrt. Obwohl sich diese Dynamik seit Jahren wiederholt, hat die EU noch keine Lösung gefunden, kritisieren europäische Medien.
Zusammenarbeit statt Abschottung
Zu lange hat die politische Rechte in Europa den Migrationsdiskurs beherrscht, kritisiert die Neue Zürcher Zeitung:
„Die plakative Forderung nach einer 'Seeblockade' gegen Afrika - gegen Menschenschmuggler, Seeretter und Migranten - passt gut in ihr nationalistisches Denken. ... Doch eigentlich wird damit nur das gefordert, was ... schon lange als die offizielle Politik Italiens und der Europäischen Union praktiziert wird. ... [Die EU] muss die afrikanischen Länder dazu bringen, ihre Bürger zurückzunehmen, wenn diese von europäischen Ländern ausgewiesen werden. Das ist bis heute oft nicht der Fall. Voraussetzung ist wohl eine umfassende Migrationspolitik, die eine ordentliche Einwanderung aus Afrika ermöglicht und die irreguläre Migration nach Europa vermeidet.“
Schwache afrikanische Staaten verstärken Probleme
Die Radikalisierung islamischer Jugendlicher in Afrika wächst, warnt der Historiker Andrea Riccardi in Corriere della Sera:
„In einigen afrikanischen Regionen stellt der Dschihad für junge Menschen in einer Welt ohne Arbeit und auf der Suche nach Würde neben der Emigration eine Alternative dar - bislang noch für eine Minderheit. Es ist nicht nur ein militärisches, sondern auch ein Generationenproblem, dem die Staaten nicht mit einer Stärkung der Bildung, des Arbeitsmarktes und einer Wohlfahrtspolitik entgegenwirken. ... Die Krise des afrikanischen Staates verstärkt die Suche nach neuen Ansätzen für ein globales Verständnis: Der radikale Islam bietet eine vereinfachte und attraktive Antwort.“
Teufelskreis beenden
Seit Jahren ist die EU in derselben todbringenden Dynamik gefangen, empört sich Der Standard:
„Im Frühling starten große Fluchtbewegungen von Nordafrika nach Südeuropa. Die EU-Mittelmeeranrainerstaaten fordern eine Umverteilung der Eingetroffenen auf die Union. Dies wird von den anderen Mitgliedsstaaten empört abgelehnt. Die EU-Kommission bemüht sich um eine gesamteuropäische Lösung, wird aber von mehreren Ländern wie den Visegrád-Staaten und Österreich ausgebremst. ... In normalen Zeiten würden rechte Parteien das Thema ausschlachten, um Wahlgewinne einzufahren. ... In Zeiten der Pandemie wird das alles jedoch nur am Rande erwähnt. Genauso wie die tausenden Toten, die dieser Teufelskreis jedes Jahr fordert.“