Justizstreit mit der EU: Letzter Ausweg Polexit?
Der Streit um Polens Justizreform verschärft sich: Am Vormittag urteilte EuGH in Luxemburg, dass die polnische Disziplinarkammer am Obersten Gericht gegen EU-Recht verstößt. Das polnische Verfassungsgericht wollte seinerseits heute entscheiden, ob das europäische Recht mit der polnischen Verfassung vereinbar ist, verschob das Urteil nun aber ohne weitere Begründung. Sollte es die Verfassung über EU-Recht stellen, lässt das für Beobachter nur einen Schluss zu.
Von wegen guter Austausch
Corriere della Sera ist besorgt:
„Noch vor zwei Tagen, am Ende des Abendessens in Brüssel mit dem polnischen Premierminister Mateusz Morawiecki, hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vielleicht ein wenig optimistisch von einem 'guten Austausch' über die angesprochenen Dossiers getwittert. ... Sollte das polnische Verfassungsgericht tatsächlich den Vorrang des nationalen Rechts bestätigen und behaupten, dass die Artikel 1 und 19 des EU-Vertrags nicht mit der Verfassung vereinbar sind, hätte Warschau zwei Möglichkeiten: entweder den Vertrag zu ändern oder aus der EU auszutreten.“
Marsch Richtung Osten
Es gibt nicht mehr viel, was die PiS am Polexit hindert, kommentiert auch Gazeta Wyborcza:
„Die PiS weiß, dass ihre Vision von Polen als autoritäre, fremdenfeindliche, religiöse Demokratie, die von Korruption und Vetternwirtschaft beherrscht wird, mit der modernen westlichen Zivilisation unvereinbar ist. Aus zwei Gründen hat sich die PiS dem Osten noch nicht vollkommen verpflichtet. Der eine ist das Geld, das aber aufgrund der Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit auch verschwinden wird. Das andere sind die Wähler, die zwar EU-skeptisch sind, aber zu Amerika wie zu einem Vater hochblicken. “
Zweifel an Mitgliedschaft nehmen zu
Rzeczpospolita fürchtet ebenfalls den tatsächlichen Austritt Polens aus der EU:
„[Verfassungs-]Richter Zbigniew Jędrzejewski bezeichnete die Europäische Union sogar als 'diese Kreatur'. Noch sind wir Mitglied der EU und bis vor kurzem bestand kein Zweifel daran, dass nichts so sehr in unserem Interesse liegt, wie in der EU zu bleiben. Aber das scheint sich wohl zu ändern.“