Was findet Kyjiw plötzlich an Peking?
Kyjiw schenkt Peking in letzter Zeit vermehrt Aufmerksamkeit. Präsident Selenskyj telefonierte erstmals mit seinem chinesischen Amtskollegen Xi Jinping, Politiker der ukrainischen Regierungspartei Diener des Volkes gratulierten zum 100. Jahrestag der KP-Gründung. Auch hat die Ukraine mit China einen Vertrag über Infrastrukturprojekte abgeschlossen und kann nun Kredite aus Peking bekommen.
Vom Westen enttäuscht
Kyjiws Beweggründe beleuchten die Journalisten Oleh Pawljuk und Pawlo Kalaschnik auf Hromadske.ua:
„Erinnern wir uns daran, dass Selenskjy von Beginn seiner Präsidentschaft an die fixe Idee hatte, Investitionen zu akquirieren. Der Westen gibt aber nicht viel Geld und der Haushalt weist ein Defizit auf in Höhe von 246,6 Milliarden Hrywna [etwa 7,7 Milliarden Euro]. So ist der Wunsch nach 'billigem Geld' sehr verständlich. … Darüber hinaus ist Selenskyj in jüngster Zeit zu einem entschiedenen Befürworter eines Nato-Beitritts der Ukraine geworden. Und er hat mehrfach seine Kränkung darüber artikuliert, dass man die Ukraine nicht aufnehmen will.“
Scharf auf ukrainisches Agrarland
Der Donezker Journalist Sergej Mirkin erklärt in Vzglyad, was die Ukraine an China interessiert - und umgekehrt:
„China kann der Ukraine Kredite ohne politische Bedingungen geben - anders als die USA oder der IWF. Peking wird keine Reformen einfordern und seine 'Aufseher' in ukrainische Ministerien entsenden. Deshalb sind die ukrainischen Beamten und Oligarchen an chinesischem Geld interessiert. Zudem gibt es den Wunsch, dem Westen zu zeigen, dass das Maidan-Regime auch im Osten Geld bekommen kann. ... Das Interesse der Chinesen ist wirtschaftlicher Natur. In der Ukraine gibt es nur noch eine Ressource, die sowohl das westliche als auch das chinesische Business interessiert: Agrarflächen. Wenn die Ukraine China das Geld nicht zurückzahlen kann, wird China den Boden nehmen.“
Ein gefährliches Spiel
Auf gordonua.com warnt der ukrainische Ex-Premier Wolodymyr Groysman:
„Handel und internationale Investitionen in die Ukraine sind ein Schlüsselelement des wirtschaftlichen Wohlstands, und China ist ein kritischer Partner in diesem Bereich. Deshalb bin ich für die Fortsetzung der für beide Seiten vorteilhaften wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Aber bei einer politischen Zusammenarbeit müssen wir vorsichtig sein. Ich habe die Sorge, dass die ukrainischen Machthaber die potentielle Gefahr einer zu großen Nähe zum kommunistischen China entweder nicht verstehen oder diese in erschreckender Weise ignorieren. China hat erklärt, dass es Putin und seinen Kampf gegen die prowestlichen Länder unterstützen wird. ... Es hat seine strategischen Interessen . die nicht mit denen der Ukraine übereinstimmen.“