Tokio 2020: Können diese Spiele begeistern?
Am heutigen Freitag werden die Olympischen Spiele von Tokio eröffnet, die ersten Wettkämpfe haben bereits stattgefunden. IOC-Präsident Bach hatte das Brennen der olympischen Flamme wiederholt zum Symbol für die gemeinsame Überwindung der Pandemie erklärt. Doch nun müssen die Wettkämpfe ohne Zuschauer stattfinden, vor den Toren ein skeptisches Gastgeberland. Europas Presse debattiert, ob die Durchführung dennoch richtig ist.
Gold für das Virus
So, wie Olympia jetzt stattfinden muss, hätte es lieber verschoben werden sollen, findet De Volkskrant:
„Es sind Spiele ohne die olympische Idee. Der Kontakt zwischen den Sportlern aller Kontinente, das warme Willkommen der örtlichen Bevölkerung, das Selbstvertrauen, das ein Land erhält, weil es zwei Wochen im Brennpunkt des Interesses steht. Alles, was die Spiele von einem normalen Turnier unterscheidet, fehlt dieses Mal. ... Anfang des Jahres hoffte man, dass die Spiele ein Symbol des Endes der weltweiten Pandemie werden könnten, von der darauffolgenden Befreiung. Nun drohen sie vor allem das Symbol der Unbesiegbarkeit des Coronavirus und des erstickenden Lockdowns zu werden, der die Welt nun bereits länger als ein Jahr im Würgegriff hält. “
Es geht nur ums Geld
Dass IOC-Präsident Thomas Bach die Abhaltung der Olympischen Spiele mit deren höherer Mission verteidigt, als Symbol für das Ende der Pandemie, überzeugt das Tageblatt nicht:
„[B]ei den Olympischen Spielen [geht es] einzig und allein um wirtschaftliche Interessen. Es geht um nicht weniger als drei bis vier Milliarden Dollar an Einnahmen, die dem IOC noch ausstehen, der größte Teil davon aus Fernsehrechten. Diese Einnahmen retten zu wollen, ist durchaus legitim. Problematischer ist, dass sich die japanische Regierung für die Zwecke des IOC hat einbinden lassen und an den Olympischen Spielen festhält, obwohl der Großteil der Bevölkerung gegen eine Austragung zum jetzigen Zeitpunkt ist.“
IOC vertritt auch die Interessen der Sportler
Der Vorwurf, dass die Olympischen Spiele nur des Geldes wegen durchgedrückt wurden, greift für die Frankfurter Allgemeine Zeitung zu kurz:
„Eine Absage ... wäre ... auch der Selbstaufgabe des IOC gleichgekommen. Diese Organisation hat nur einen einzigen Auftrag: Olympische Spiele für die Athleten zu organisieren und dafür die bestmöglichen Bedingungen zu schaffen – was auch immer sie selbst darunter verstehen mag. Und das hat sie getan. ... Ein Hochleistungsathlet, der sich jahrelang auf Olympia fokussiert hat, will hin. Auch zu den Steril-Spielen von Tokio. ... Wer also die Interessen der Sportler überzeugend vertreten will, der kann nicht gleichzeitig das IOC dafür verteufeln, dass es auf der Austragung der Spiele beharrt hat.“
Die Athleten haben es verdient - und wir auch
The Times hat Respekt für Tokio, das die Austragung unter den schwierigen Bedingungen organisiert:
„Die ganze Welt wird allen Beteiligten, einschließlich den Organisatoren, Athleten, Wettkampfrichtern und vor allem Tokio selbst, einfach nur viel Glück wünschen. Die Olympischen Spiele sind ein einzigartiges Sportereignis, und Tausende Wettkämpfer widmen seit Jahren ihr Leben diesem Moment, der für viele der Höhepunkt ihrer Karriere sein wird. Sie verdienen es, diesen Moment genießen zu können. In Großbritannien haben die letzten Wochen gezeigt, wie sehr Sport in der Lage ist, die Stimmung, die durch 18 Monate Lockdown gedämpft war, zu heben. Wir sind sicher, dass die Olympischen Spiele in Tokio das Gleiche tun werden.“
Zwei Wochen Zeit, die Stimmung zu drehen
Grundsätzliche Bedenken zu Beginn Olympischer Spiele sind nichts Neues, ruft der Chefredakteur von Libération, Dov Alfon, in Erinnerung:
„Die Stimmung kurz vor der Eröffnung war immer schlecht. Wer erinnert sich heute noch daran, dass auch die Olympischen Spiele 1968 in Mexiko-Stadt, die heute von vielen als das aufregendste Sportereignis der Neuzeit betrachtet werden, zum Scheitern verurteilt schienen – wegen des Boykotts afrikanischer Länder gegen die Teilnahme Südafrikas, Verkehrsproblemen und des Rückzugs von Sportlern, die in der Höhenlage unter Sauerstoffmangel litten? ... Die Spiele in Tokio starten in der öffentlichen Meinung von sehr weit unten. Nun liegt es an den Athleten, uns zum Träumen einzuladen und so diesen schlechten Start vergessen zu machen.“