Belarus: Was der Prozess gegen Kolesnikowa zeigt
Unter Ausschluss der Öffentlichkeit hat in Minsk am Mittwoch der Prozess gegen Maria Kolesnikowa begonnen - eine der drei führenden belarusischen Oppositionspolitikerinnen. Sie war festgenommen worden, als sie sich im Herbst einer Abschiebung in die Ukraine widersetzte, indem sie ihren Pass zerriss. Nun drohen ihr und ihrem Anwalt Maxim Znak bis zu zwölf Jahre Haft.
Fällt Lukaschenka beim Kreml in Ungnade?
Dass es trotz Abriegelung des Prozesses ein Video gibt, das Maria Kolesnikowa tanzend und mit ihren zu einem Herz geformten Händen im Gerichtssaal zeigt, hebt La Stampa hervor:
„Kolesnikowa und ihr Mitangeklagter Maxim Znak - ihr Anwalt, der im Laufe des Prozesses zum Angeklagten wurde - sind die einzigen in ihrer Heimat verbliebenen Mitglieder des Koordinierungsrats der Opposition. Sie müssen mit bis zu zwölf Jahren Haft rechnen in einem surrealen Prozess, dessen 'Anschuldigungen' und 'Beweise' nicht bekannt sind. Die Anwälte sind zur Verschwiegenheit verpflichtet, und Journalisten dürfen den Gerichtssaal nicht betreten. Marias Tanz, eine symbolische Geste des Trotzes und der Verachtung gegenüber dem Regime, wurde von der russischen Propagandaagentur Sputnik gefilmt und ausgestrahlt - was den Verdacht nährt, dass jemand im Kreml gegen Lukaschenka arbeitet.“
Am Ende wird der Freiheitswille siegen
Für den Deutschlandfunk zeigt der Prozess, dass Lukaschenka der eigentlich Getriebene ist:
„Der Machthaber ... schlägt wild um sich. Er scheint zu verstehen: Wenn er die Daumenschrauben nur minimal lockert, würde er die Kontrolle über das Land und die Nation, die sich längst von ihm abgewandt hat, verlieren. ... So traurig diese Tage für Belarus sind, so niederschmetternd das Urteil gegen Maria Kolesnikowa auch ausfallen mag: Sie wird die zu erwartende Strafe sicher nicht ganz absitzen müssen. Ihr Freiheitswille und der vieler Menschen in Belarus wird Lukaschenko letztendlich in die Knie zwingen.“
EU unterschätzt den Diktator immer wieder
Immer wieder verhält sich die EU gegenüber Lukaschenkas Politik erstaunlich naiv, meint Observador:
„Diesmal hat er auf die Sanktionen reagiert, indem er aus seinem Land einen Korridor nach Litauen für illegale Flüchtlinge aus Afghanistan, Irak usw. gemacht hat und dadurch eine Krise in dem baltischen Staat provoziert hat. Die litauische Regierung hat den belarusischen Amtsträgern vertraut, die die Durchreise der illegal eingereisten Migranten durch ihr Staatsgebiet angeblich nicht dulden wollten, und keine Maßnahmen ergriffen, um die Grenzen zu schützen. Jetzt baut sie überstürzt Stacheldrahtzäune auf. Das ist ein weiterer schwerer Fehler in der Außenpolitik der EU, die geglaubt hat, sie könnte im Konflikt mit Russland den Diktator Lukaschenka auf ihre Seite ziehen.“