Belarus: Straflager für Kalesnikawa und ihren Anwalt
Die belarusische Bürgerrechtlerin Maryja Kalesnikawa und ihr Verteidiger Maxim Snak sind unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu elf beziehungsweise zehn Jahren Haft verurteilt worden. Opposition, EU und Amnesty International kritisierten das Urteil scharf und forderten die Freilassung aller politischen Gefangenen in Belarus. In die Bestürzung der Kommentatoren mischt sich die Hoffnung, dass die Verurteilten eines Tages doch triumphieren.
Nur sie hatte den Mut
Rzeczpospolita ist voller Bewunderung für die nun Verurteilte:
„Kalesnikawa ist von Beruf Musikerin, eine Flötistin. ... Im Jahr 2007 ging sie nach Deutschland, wo sie ihr Studium an der Hochschule für Musik in Stuttgart abschloss. Nach zehn Jahren beschloss sie jedoch, in ihre Heimatstadt Minsk zurückzukehren, wo sie sich schnell in das kulturelle Leben einfügte. ... Von den drei Frauen, die im vergangenen Sommer zu Symbolen des Kampfs gegen das Lukaschenka-Regime wurden, war sie die einzige, die in Belarus blieb. ... Nachts wurde sie an die Grenze zur Ukraine gebracht und in ein Auto gesetzt, zusammen mit zwei anderen belarusischen Oppositionellen. ... Kurz vor dem ukrainischen Grenzübergang zerriss Kalesnikawa ihren Pass und sprang aus dem Fenster. Die Männer fuhren weiter und gaben später auf einer Pressekonferenz in Kyjiw zu, dass sie 'nicht den Mut hatten', so zu handeln.“
Pure Willkür im Gewand der Justiz
Nowaja Gaseta erregt sich darüber, dass derartige Prozesse als Rechtssprechung ausgegeben werden:
„Das war kein Prozess: Die Anklage war geheim, die Verteidiger waren verpflichtet worden, nichts offenzulegen. Man darf sich nicht betrügen lassen von der Macht von Worten. Worte werden uns von den Banditen genauso gestohlen wie unsere Leben, unsere Freiheiten, Rechte, Wahlen, unser Geld und unsere Zukunft. Die Bande, die den Staat gekapert hat, nennt sich Staat, und einen Gewaltakt bezeichnet sie als Prozess. Sie nutzt würdige Worte, um damit unwürdige Schritte zu kaschieren. Wäre dieser Prozess öffentlich gewesen, wäre der ganzen Welt klar geworden, dass dies ein Treffen von Banditen ist, von Fanatikern, die einen Menschen abstrafen.“
Westen hat nichts entgegenzusetzen
Hilflosigkeit erkennt der Tagesspiegel:
„Im Falle von Kolesnikowa ging es Lukaschenko ganz offensichtlich darum, seine absolute und uneingeschränkte Herrschaft auch über eine Gegnerin vorzuführen, die im Westen bekannt ist und geschätzt wird. ... Der Westen mag protestieren, er mag die Freilassung fordern. Aber er hat der Gewaltherrschaft eines Lukaschenko nicht wirklich etwas entgegenzusetzen. Denn den können selbst die Sanktionen des Westens kaum schrecken - so lange jedenfalls, wie er in Wladimir Putin einen Freund an seiner Seite weiß.“
Gewaltherrschaft ohne Perspektive
Das Schauspiel ist unerträglich mitanzusehen gewesen, zeigt aber in Wahrheit die Schwäche des belarusischen Präsidenten, schreiben die Salzburger Nachrichten:
„Die gute Nachricht lautet: Lukaschenkos Stärke ist mehr Schein als Sein. Seine Herrschaft hat keine Perspektive. Am meisten Erfolg verspricht deshalb eine Politik der klaren, standhaften Nichtanerkennung und Sanktionierung. Dann wird der mitreißende Mut der Maria Kolesnikowa am Ende belohnt. Auch wenn das ein langer Prozess ist.“