Ukrainer suchen besseres Leben in Polen
Die Ukraine leidet unter einem anhaltenden Brain Drain. Vor allem junge, gut ausgebildete Arbeitskräfte verlassen das Land, zurück bleiben Alte, Arbeitslose und ein überlastetes Sozialsystem. Besonders beliebt bei den Auswanderern ist das Nachbarland Polen: Mehr als eine Million Ukrainer lebten 2020 dort. Kommentatoren analysieren die Gründe und suchen Wege aus dieser ukrainischen Dauerkrise.
Ein Teufelskreis
Tygodnik Powszechny thematisiert die gesellschaftlichen Folgen der Auswanderung junger Ukrainer:
„Was für die polnische Wirtschaft ein Segen ist - die Anwerbung von Arbeitskräften, die sich leicht integrieren - könnte für die ukrainische Wirtschaft langfristig dramatische Folgen haben. Nach Schätzungen für 2020 geben schon jetzt nur 11 Millionen Ukrainer irgendeine Form von Einkommen an, 11 Millionen keines. ... Weitere 11 Millionen sind Rentner, deren Leistungen vom Arbeitseinkommen abhängen. Alle drei Bürgergruppen genießen Gesundheitsversorgung, Bildung, Infrastruktur und so weiter, aber ein Erwerbstätiger unterstützt bereits zwei Nicht-Erwerbstätige. ... Mit einer solchen Beschäftigungsstruktur kann der Staat auf Dauer weder leistungsfähig noch zeitgemäß sein - und damit auch nicht lebenswert. Und so schließt sich die demografische Falle.“
Der Blick ins Nachbarland lohnt sich
Während die Ukraine Steuern und Abgaben für Unternehmen und Arbeiter erhöht, erhalten diese in Polen Privilegien. Nicht gut für die ukrainische Wirtschaft, analysiert gazeta.ua:
„In Polen hat man begriffen, dass man für Wirtschaftswachstum fünf bis sechs Millionen Arbeitsmigranten benötigt. ... Zu uns könnten Bürger ärmerer Staaten kommen, aus Zentralasien und Nordafrika. Aber es gibt Hindernisse in der Gesetzgebung. Wenn Sie einen Ausländer für einen einfachen Job nehmen wollen, etwa als Hausmeister, müssen Sie ihm mindestens zehn Mindestlöhne zahlen. ... Unsere Gesetze drängen Migranten in die Grauzone. … Wir haben zwar die gleichen Probleme wie Polen mit der Arbeitsmigration, aber die Lösung unterscheidet sich diametral. ... Das Land muss sich ändern, damit die Menschen nicht ausreisen, sondern zurückkehren. ... Diese Veränderungen müssen die Ukrainer in ihren Geldbeuteln spüren.“