Moskau kappt seine Verbindungen zur Nato
Russland will bis auf Weiteres seine Vertretung am Nato-Hauptquartier in Brüssel schließen. Auch die Vertretung der Militärallianz in Moskau soll laut Außenminister Lawrow zum 1. November geschlossen werden. Als Grund nannte der Kreml die Entscheidung des Bündnisses, russischen Diplomaten wegen Spionageverdachts die Akkreditierung zu entziehen. Europas Presse zeigt sich überwiegend besorgt.
Gefährliches Schweigen
Die Moskau-Korrespondentin der Süddeutschen Zeitung, Silke Bigalke, fürchtet handfeste Konsequenzen:
„Schweigen [ist] gerade im militärischen Bereich besonders gefährlich. Diplomatische Konflikte sind das eine. Etwas ganz anderes ist es, wenn sich Armeen über ihre Kanäle austauschen, sich gegenseitig von Übungen informieren und notfalls beschwichtigen, nachdem mal wieder ein Kampfflieger an einer Landesgrenze vorbeigeschrammt ist. Dann nämlich verhindert Dialog ganz reale Konflikte. Zwischen Nato und Russland gibt es jetzt keine offiziellen Kanäle mehr dafür.“
Beziehungen am Gefrierpunkt
Auch Jyllands-Posten ist pessimistisch:
„Niemand, der sich auch nur ein wenig mit Putin auskennt, wird davon ausgehen, dass man wieder zu jenen Zeiten zurückkehren kann, als sich nach dem Mauerfall und der Auflösung der Sowjetunion die Beziehungen zwischen Russland und der Nato langsam erwärmten. Statt Möglichkeiten friedlicher Zusammenarbeit zu nutzen, hat Putin konsequent Wege eingeschlagen, die die Spannungen vergrößern. Die Annektierung der Krim ist da der vorläufige Höhe- oder besser Tiefpunkt. ... Gegenüber dem Kreml muss Klartext gesprochen werden. Aber die Erfahrungen aus dem Kalten Krieg zeigen auch, dass es des Dialogs bedarf, wenn die Entwicklung nicht vollständig aus dem Ruder laufen soll. Das weiß auch Russland. Doch es trägt nicht dazu bei, Spannungen abzubauen.“
Russland-Phobie treibt Moskau in Pekings Arme
Radio Kommersant FM sieht in dem Kontaktabbruch ein strategisches Problem für die Nato:
„Washington als stärkster Alliierter erkennt gegenwärtig, dass sein Hauptgegner für die nächsten Jahrzehnte China ist. Daraus folgt, dass man nicht zusätzliche Probleme mit Moskau schaffen sollte, das so nur in die Arme Pekings getrieben wird. In einer zukünftigen hypothetischen Konfrontation mit China wäre Russlands Neutralität für die USA ideal. Aber mit ihren ewigen Komplexen und Phobien gegenüber Moskau stehen die Allianzmitglieder aus Osteuropa und der Ex-UdSSR dieser Strategie im Weg. ... Solange bedeutsame Staaten (USA, Deutschland, Frankreich, Italien) gezwungen sind, auf die Phobien ihrer Juniorpartner bei der Nato Rücksicht zu nehmen, wird jeder Dialog Moskaus mit dieser Organisation sinnlos.“
Es geht eigentlich um Osteuropa
Spionage ist nicht der Grund für die Schließung, meint Corriere del Ticino:
„Der Kreml wirft dem Atlantischen Bündnis insbesondere vor, seinen Einfluss auf die Ukraine und Georgien ausdehnen zu wollen, die Russland noch immer als unter seiner Zuständigkeit betrachtet. ... Der Zeitpunkt der Entscheidung Moskaus ist von daher auch nicht zufällig: Am Montag traf der amerikanische Verteidigungsminister Lloyd Austin in Georgien ein, und er wird auch die Ukraine und Rumänien besuchen - Länder, die an das Schwarze Meer grenzen und von Moskau unter Druck gesetzt werden. ... In der Tat stellen die russischen Luft- und Seestreitkräfte in der Region eine zunehmende Herausforderung für die Nato-Mitglieder dar. … Die Reise des Pentagon-Chefs dürfte beim Kreml für weitere Irritation sorgen.“