Erdoğan droht Botschaftern mit Ausweisung
Die diplomatischen Beziehungen zwischen der Türkei und dem Westen sind erneut in der Krise: In einem gemeinsamen Appell hatten zehn Botschafter von unter anderem den USA, Deutschland und Frankreich von der Türkei eine 'gerechte und rasche Regelung' des Falls Osman Kavala gefordert. Zunächst bestellte Ankara die Botschafter ins Außenministerium ein. Donnerstag verschärfte Erdoğan den Ton: Man könne es sich nicht mehr erlauben, sie im Land "willkommen zu heißen".
So etwas sagt man nicht zum Spaß
T24 zweifelt, ob Erdoğan sich der Konsequenzen bewusst ist:
„Solche Worte haben eine einzige Bedeutung: die zehn Botschafter, die den Appell veröffentlicht haben, zur Persona non grata zu erklären. Die werden ihre Koffer packen und gehen. Die Länder werden auch unsere Botschafter zurückschicken. ... Ist das ein kluger Schachzug, während wir diplomatisch im östlichen Mittelmeer allein dastehen, in Syrien zwischen USA und Russland eingezwängt sind und uns eine Strafe vom Europarat droht, die bis zur Suspendierung unserer Mitgliedschaft führen kann? … Es ist leicht so herumzupoltern, während Journalisten um einen herum sitzen, deren einzige Aufgabe darin besteht, mit dem Kopf zu nicken. Die Schwierigkeit besteht aber darin, auf Worte Taten folgen zu lassen, und wir wissen, dass er das nicht tun wird.“
Ankara trägt Mitschuld an dieser Schmähung
Um sich mit gutem Recht über die Einmischung von außen zu empören, muss auch die türkische Regierung an sich arbeiten und die Politisierung der Justiz stoppen, stellt Karar fest:
„Kein Land darf die Türkei bevormunden, ihrer Justiz Anweisungen geben oder sie belehren. ... Doch wenn wir nicht akzeptieren wollen, dass irgendjemand der Justiz reinredet, sollte man dann nicht auch erklären, warum die Regierung bis heute zur Politisierung der Justiz schweigt und zum Beispiel der Fall Kavala zum juristischen Skandal geworden ist? ... Wenn es uns wirklich unangenehm ist, dass uns das Ausland Lektionen erteilt, müssen wir zuerst unser Rechtssystem, dem nicht einmal unsere eigenen Bürger trauen, auf ein Niveau bringen, auf das wir alle stolz sein können. Dann können wir die Welt erhobenen Hauptes herausfordern.“
Würde wahren und Botschafter zurückrufen
Die beteiligten Staaten werden über die Drohung der Ausweisung wohl hinwegsehen, glaubt Die Welt:
„Sie wissen ja, dass Erdogans Poltern innenpolitisch motiviert ist, und außerdem hat sich der Westen in mehrfacher Hinsicht in Abhängigkeit vom Erdogan-Regime begeben, in der Flüchtlingsfrage etwa oder zuletzt in Afghanistan. Eine angemessene Reaktion aber wäre eine andere: Deutschland, Frankreich, die USA und die anderen beteiligten Staaten könnten selber ihre Botschafter zu 'Konsultationen zurückrufen'. Das würde nicht nur die Selbstachtung gebieten. Es wäre auch das richtige Signal an ausländische Investoren, die Erdogan zu umgarnen versucht.“