Europas Krankenhäuser am Limit
Die vielerorts wieder steigenden Corona-Zahlen zeigen es erneut schmerzlich auf: In vielen europäischen Ländern mangelt es an Intensivbetten und vor allem an Pflegepersonal. In den Kommentarspalten ist man sich einig: Die Gesundheitsversorgung leidet an strukturellen Problemen, die über die Pandemie hinausgehen - und gegen die nun endlich etwas getan werden muss.
Folge falscher Politik
Der Mangel kommt nicht von ungefähr, schreibt Les Echos:
„Die Krankenhäuser müssen jetzt für eine Politik bezahlen, die durch harte Sparmaßnahmen, einen chronischen Mangel an Investitionen und das Fehlen ehrgeiziger organisatorischer Reformen gekennzeichnet war. ... Immer wieder wurde davon gesprochen, mehr private medizinische Versorgung zuzulassen, doch ohne konkrete Ergebnisse. Administrative Hürden wurden nicht abgeschafft und auch gegen die schlechten Karrierechancen wurde nichts unternommen. Dass derart viele Pflegekräfte in Krankenhäusern nur kurzfristig Beschäftigte sind, - zu erheblichen Kosten für die Einrichtungen - zeigt, wie sehr hier versagt wurde.“
Endlich Geld in die Hand nehmen
Angesichts schnell steigender Corona-Zahlen geraten die Krankenhäuser in den Niederlanden erneut in Bedrängnis. Holt die Pflegekräfte zurück, ruft NRC Handelsblad:
„Sie sind aus Erschöpfung oder Enttäuschung gegangen oder haben sich in den Ruhestand verabschiedet. Auf manchen Stationen sind dazu noch 10 bis 15 Prozent krank. Und schon vor der Pandemie herrschte Mangel. ... Wenn die Regierung wirklich will, dass in den Wintermonaten 1.350 Intensivbetten zur Verfügung stehen [gegenüber 1.150 vor der Pandemie], dann wird sie die Geldbörse zücken müssen. ... Holt die Pflegekräfte zurück. Geht notfalls auf die Knie. Bezahlt ihnen befristet eine deutliche Prämie, um die Arbeit attraktiv zu machen: ein paar Tausend Euro pro Person. Überschüttet sie mit Zuwendungen und Aufmerksamkeiten. Sie werden so sehr gebraucht.“
Mehr Intensivbetten heißt mehr Personal
Auch für Helsingin Sanomat ist klar, wo jetzt angesetzt werden muss:
„Es wird im kommenden und wohl auch in den folgenden Wintern viele Patienten in den Krankenhäusern geben. Die Schlussfolgerung ist, dass die Behandlungskapazität erhöht werden muss. … Bisher wurde die Corona-Lage bewältigt durch die Verschiebung von Operationen, die Verlegung von Patienten und, indem das Personal an seine Belastungsgrenze gebracht wurde. Es kann nicht sein, dass Jahr für Jahr die Pflegekräfte überlastet werden und sich der Behandlungsrückstand verschärft. Der Mangel an Pflegekräften ist der größte Engpass bei der Erhöhung der Zahl der Intensivpflegeplätze. Wir müssen dafür ein Mittel finden.“
Corona hat das Fass zum Überlaufen gebracht
Dziennik Gazeta Prawna beleuchtet das polnische Gesundheitswesen:
„Da ist zum einen Unmut und Müdigkeit, Arbeit unter schwierigen Bedingungen, schlechtes Management. Zum anderen ein kranker Arbeitsmarkt, auf dem der Personalmangel die klassischen Regeln von Angebot und Nachfrage außer Kraft gesetzt hat. ... Die Ärzte sagen, das öffentliche Gesundheitssystem habe schon vor der Pandemie versagt. Aber sie hielten daran fest. Die einen in der Erwartung von Veränderungen, die anderen aus Gewohnheit. ... Nach anderthalb Jahren Pandemie sind viele zum Schluss gekommen, dass es Zeit ist zu gehen.“