Warum verzeichnet Osteuropa so viele Corona-Tote?
Ein großer Teil der osteuropäischen Länder leidet derzeit unter hohen Covid-Infektions- und Todeszahlen. In Rumänien und Bulgarien starben am 19. Oktober zusammen mehr Corona-Kranke als in der ganzen restlichen EU, Russland zählt über 1.000 Tote pro Tag. Kommentatoren zeichnen ein düsteres Bild und suchen nach Gründen, warum es hier nicht gelingt, die Pandemie trotz ausreichend verfügbarer Impfstoffe unter Kontrolle zu bekommen.
Uneinsichtige Bulgaren opfern Menschenleben
Dass sich Bulgaren leider ungern an Regeln und Empfehlungen halten, müssen sie nun teuer bezahlen, kommentiert Fakti.bg mit Blick auf die geringe Impfbereitschaft:
„Es ist eine tragische Tatsache, dаss uns unser im EU-Vergleich letzter Platz bei der Durchimpfung automatisch auf den ersten Platz bei der Zahl der Todesfälle pro Million Einwohner gebracht hat. Jede Nation erntet, was sie sät. Wenn wir uns nicht an die Maßnahmen und Regeln halten, die Errungenschaften der Zivilisation, der Wissenschaft und die kompetente Meinung der Fachleute ignorieren, müssen wir sowohl als Nation als auch als Einzelpersonen und Fаmilien einen sehr hohen Preis dafür zahlen.“
Nur auf den Friedhöfen ist noch Platz
Wie ernst die Lage in der Ukraine ist, beschreibt unverblümt der bekannte Arzt Jewhen Komarovskiy in NV:
„Dieser wunderschöne Herbst, meine Damen und Herren, wird für viele der letzte sein. Entschuldigen Sie die Emotionen. Aber die Situation ist, milde gesagt, schrecklich. Dass die Krankenhäuser übervoll sind, ist eine sehr harmlose Lagebeschreibung. Wenn Abgeordnete behaupten, es gebe in den Spitälern noch freie Plätze, lügen sie. Auf den Friedhöfen gibt es noch freie Plätze, in den Leichenhallen nicht. Dort stehen Schlangen mit auf Wägelchen aufgebahrten Leichen. ... Und es gibt ein neues schreckliches Problem: Die Leute haben endlich begriffen, dass man sich impfen lassen muss, aber sie können sich nicht impfen lassen, weil sie bereits eine Impfbescheinigung gekauft haben.“
Irgendwo endet die persönliche Freiheit
Litauens Impfgegner berufen sich auf ihre individuellen Freiheiten - auch auf die Freiheit zu sterben. Kolumnist Rimvydas Valatka kontert ironisch in Delfi:
„Erlaubt es doch den an offener Tuberkulose erkrankten Erziehern, in den Kitas zu arbeiten! Wieso beschränken wir die Rechte dieser Kranken? Erlaubt doch den Köchen, trotz Salmonellose weiter ihre Pfannkuchen zu backen! Erlaubt es Hellsehern, Schamanen und Hexern, die Menschen zu heilen! ... Hört auf, die betrunkenen Fahrer zu gängeln, indem Ihr ihnen das Recht entzieht, einen Golf, Lastwagen, Zug oder Schulbus trotz drei Promille zu fahren! Die Fahrer wollen doch nur frei sterben. Aber die konservative Diktatur steckt sie hinter Gitter und straft sie mit hohen Bußgeldern.“
Die Psychologie der Impfgegner
In Lettland, das seit Donnerstag im Lockdown ist, ist nur knapp die Hälfte der Bürger vollständig geimpft. Diena versucht sich an einer Einordnung:
„Es gibt Erwachsene, die geimpft werden können, aber es nicht tun. Ein psychologisches Porträt dieser Menschen wäre für Soziologen ein interessantes Forschungsthema. Aber auch ohne Forschung fallen vier Argumente auf: Unglaube an die Wirksamkeit oder Angst vor den Nebenwirkungen des Impfstoffes. Und der Glaube, dass die eigene Gesundheit so stark sei, dass die Impfung nicht notwendig ist. ... Eine andere Gruppe sind die prinzipiellen Impfgegner, die sich durch eine Feindseligkeit gegenüber der Regierung und allen Geimpften auszeichnen.“
Zu viele schlagen aus Angstmache Profit
Für die schleppende Impfkampagne in Rumänien macht Libertatea mehrere Schuldige aus:
„Da ist nicht nur die orthodoxe Kirche, die ein doppeltes Spiel spielte: Einerseits zog sie eine Pro-Impfkampagne durch, um im Gegenzug einen Wagon voller Subventionen [für Kirchenbauten] zu erhalten, andererseits schrien sie in den Kirchen, dass der Satan mit dem Impfchip komme. Nein, es waren auch Journalisten und Promis, die in der Hauptsendezeit aus der Panik der Bevölkerung Geld und Einschaltquoten machten und die Ängste zusätzlich mit gesundheitsschädigenden Informationen schürten. Es gab dazu auch (viele) verantwortungslose Mediziner. Ein ganzes Bataillon von Niederträchtigen schlug aus der Krise Profit.“
Soziales Gefälle bei der Impfung
Vielleicht wäre eine Impfpflicht doch besser geeignet gewesen, den Ernst der Lage allen Bevölkerungsschichten verständlich zu machen, illustriert Mediafax:
„Als die Infektionen und Todeszahlen wieder stiegen, haben sich die Altruisten aufgeregt: 'Wie jetzt, ich habe mich wegen ein paar Idioten die ganze Zeit mit Maske geplagt, mich impfen lassen, bin zu Hause geblieben und habe die Quarantäne respektiert.' Und wieder füllte sich das Internet mit dem Zorn der Leute, die sich zum x-ten Mal empören, dass sie die Landsleute von verängstigteren, wütenderen, ärmeren und weniger gebildeten Menschen sind. … Jene mit ungeimpftem IQ wiederum sagten völlig überrascht: 'Wenn die Impfung so bedeutend gewesen wäre, hätten sie sie verpflichtend gemacht'.“
Putin ist mit anderem beschäftigt
An der hohen Zahl der Corona-Toten in Russland trägt der Präsident große Mitschuld, meint Observador:
„Würde sich Putin so intensiv im Kampf gegen Covid-19 engagieren, wie er das für den Ausbau seiner diktatorischen Macht tut, befände sich das Land nicht in einer so katastrophalen Gesundheitslage. … Dank der in Russland verfügbaren Ressourcen könnte die Situation wesentlich besser sein. Doch das Problem liegt bei Wladimir Putin und seinen Prioritäten. Würde sich der russische Diktator um die Gesundheit der Mitbürger sorgen, anstatt Journalisten und Oppositionelle zu verfolgen, Milliarden von Euro mit Aufrüstung zu verplempern und ebenso viel Geld im Sumpf der Korruption zu versenken, wäre die Lage nicht so schlimm.“
Ein tödlicher Mix
Auch die Fallzahlen in Bulgarien steigen dramatisch an, gleichzeitig liegt die Impfrate bei nur 20 Prozent. Die Virologin Radostina Aleksandrowa schlägt in Dnevnik Alarm:
„Wir befinden uns in einer Art Bermuda-Dreieck. Zum einen haben wir die Delta-Variante, die sich viel schneller ausbreitet und bei der das Risiko für eine Einlieferung ins Krankenhaus doppelt so hoch ist. Auf der anderen Seite die extrem geringe Zahl an Geimpften in unserem Land und drittens der Personalmangel in den Krankenhäusern, der auch mit Maßnahmen nicht ausgeglichen werden kann. Die Tatsache, dass wir seit sechs Monaten im Wahlkampf stecken, ist auch nicht gerade hilfreich.“
Ungeimpfte unter Druck setzen
Die einzige Alternative besteht darin, den Druck zum Impfen zu erhöhen, argumentiert Novi list:
„Keine liberale Regierung kann die neue Covid-19-Welle stoppen, ohne Sanktionen für Ungeimpfte zu verhängen. Ob man diese nun als Motivationskampagnen bezeichnet oder beim richtigen Namen nennt - restriktive Maßnahmen -, Fakt ist, dass eine neue Welle nicht anders gestoppt werden kann als durch eine neue Impf-Welle. ... Die allgemeine Wirtschaftslage zeigt, dass die Weltwirtschaft einen neuen, großen dritten Lockdown und einer daraus folgenden globalen Einbruch nicht verkraften würde. Deshalb können die Regierungen beim besten Willen nicht mehr so liberal ihren Bürgern gegenüber sein. Die Maßnahmen müssen strenger kalibriert werden.“