Corona-Proteste: Die Wut wächst
In mehreren europäischen Städten wie Rotterdam, Wien und Zagreb kam es am Wochenende bei Demos gegen verschärfte Covid-Restriktionen zu Gewalt. In Brüssel setzte die Polizei Wasserwerfer und Tränengas ein, als eine zunächst friedliche Demonstration von 35.000 Menschen eskalierte. Europas Presse bangt um den gesellschaftlichen Konsens und erörtert positive Beispiele.
Virus gefährlicher als die Krawalle
Die Politik darf sich von den gewaltsamen Ausschreitungen bei den Demos in Brüssel nicht von den für viele Menschen lebenswichtigen Entscheidungen abbringen lassen, stellt De Standaard klar:
„Viele kennen auch in ihrem eigenen Umfeld Menschen, deren Operationen [aufgrund der Überlastung des Gesundheitssystems] verschoben wurden oder die von der neu aufflackernden Epidemie besonders bedroht sind. Die Besorgnis ist weniger sichtbar als die Bilder aus Brüssel. Die Kundgebung ist sicher ein Weckruf. Komplottdenken ist ansteckend, Polarisierung gefährlich. Aber noch gefährlicher und ansteckender ist das Virus selbst. Angst vor wütenden Impfgegnern darf die Politik nicht beeinflussen, die Sorge um wütende Krebspatienten sollte das aber.“
Rom ist mit gutem Beispiel vorangegangen
Dass es auch anders geht, zeigt das Vorbild Italien, lobt La Repubblica:
„Was im Inneren der No-Vax-Bewegung heranreift, ist die intoleranteste und gefährlichste Version der populistischen Ablehnung der Demokratie: Sie lehnt den Impfstoff ab, der die kollektive Gesundheit schützt, identifiziert ihn mit einem Unterdrückerstaat, um den repräsentativen Institutionen die Legitimität abzusprechen. … In dieser Ablehnung von Wissen, in dieser Saat des Hasses und in dieser Verbreitung von physischer oder digitaler Gewalt liegt die größte Gefahr für die Sicherheit und den Wohlstand Europas. … Als eines der am besten vor dem Virus geschützten Länder muss Italien weiterhin mutige Entscheidungen treffen, um als Beispiel für politische Stabilität und gesundheitliche Glaubwürdigkeit in der EU voranzugehen.“
Nutzloser Fatalismus
Die Demonstranten bieten keine gangbare Alternative an, ärgert sich Novi list:
„Die Bürger und Regierungen können nicht die Hände in den Schoß legen und sich dem Schicksal ergeben, wie es die Gegner von Impfungen, Covid-Pässen und härteren Restriktionen fordern. Ihr unannehmbarer Fatalismus bietet keine Lösung für die steigende Zahl der Toten durch Covid-19, für die Überfüllung der Krankenhäuser oder für weitere wirtschaftliche Pandemieschäden. Die Fatalisten übernehmen keine Verantwortung für die Konsequenzen ihrer Worte, für das Wohl ihrer Mitmenschen oder für die eigene Gesundheit. Sie sind nur an der eigenen Freiheit interessiert.“
Und wenn man das Volk vor die Wahl stellt?
Am 28. November stimmen die Schweizer über die Abschaffung des Covid-19-Zertifkats als Voraussetzung für den Besuch von Restaurants, Kinos und öffentlichen Gebäuden ab. Ein Scheitern des Volksbegehrens gilt als wahrscheinlich. Vielleicht muss man die Bürger stärker in die Verantwortung nehmen, reflektiert die Aargauer Zeitung:
„Der Bundesrat [die Regierung] verzichtet aus freien Stücken auf Führung. Vielleicht funktioniert das, wenn das Volk übernimmt. Die Eigenverantwortung ist hier stärker ausgeprägt als in den Nachbarländern, die Eskalation in Deutschland und Österreich müsste allen klarmachen, dass nun Vorsicht geboten ist. Im letzten Jahr passten viele ihr Verhalten schon vor den Lockdowns an, allein wegen der hohen Fallzahlen.“