Oxfam: Mehr Reichtum, mehr Armut
Die Corona-Pandemie hat einem Bericht der Nothilfe- und Entwicklungsorganisation Oxfam zufolge die Kluft zwischen Arm und Reich weltweit drastisch verschärft. Das Vermögen der zehn reichsten Milliardäre habe sich zwischen März 2020 und November 2021 verdoppelt, während gleichzeitig mehr als 160 Millionen Menschen zusätzlich in Armut geraten seien. Europas Presse diskutiert den Bericht und fragt nach den Folgen.
Endlich fair besteuern
Seit Jahrzehnten profitieren die Reichen von dem Fehlen klarer Steuervorschriften, wettert La Stampa:
„[Deshalb] schlägt die Leiterin von Oxfam International eine einmalige Steuer von 99 Prozent auf die Pandemieeinnahmen vor. Dies würde eine enorme Summe einbringen, die dann umverteilt werden könnte. Selbst wenn der Vorschlag provokativ erscheinen mag, so zeigt er doch eindeutig den einzigen Weg in die Zukunft auf, nämlich die Besteuerung. Die Besteuerung der Reichsten nicht aus Bosheit oder Neid, wie manche einwenden könnten, sondern um sicherzustellen, dass diejenigen, die ihr Geld auch dank der Ausbeutung von Arbeitskräften verdienen, die inakzeptable Arbeitsbedingungen akzeptieren, zu der allgemeinen Umverteilung und damit der sozialen Gerechtigkeit beitragen.“
Übermäßige Gewinnmaximierung zügeln
Auch De Volkskrant fordert mehr staatliche Regulierung:
„Das System hapert, wenn Arbeitnehmende immer weiter ausgebeutet oder wegrationalisiert werden, um die Gewinne an der Spitze des Unternehmens auf obszöne Höhen zu treiben. Und wenn diese Führungselite vor allem auf Aktionärswerte hinarbeitet und dank hoch bezahlter Steuerexperten so wenig Steuern wie möglich bezahlt auf ihre Wuchergewinne. ... Übermäßige Gewinnmaximierung kann man zügeln: Indem man gegen Steuervermeidung vorgeht, den Spielraum für den 'Markt' einschränkt und staatliche Regulierung verstärkt, um die Allgemeinheit zu schützen. ... Die zunehmende Kluft zwischen Arm und Reich sollte jedem Sorgen machen, weil sie den Gemeinschaftssinn untergräbt und dadurch Gesellschaften destabilisiert.“
Schwarzmalerei hilft nicht weiter
Für die Frankfurter Allgemeine Zeitung ist Oxfams Blick auf das Problem zu holzschnittartig:
„Unternehmen und deren Eigentümer sind die Bösen, die wahlweise zerschlagen, besteuert oder diskreditiert gehören. Dass Innovationen, die Menschen wie die Biontech-Gründer Uğur Şahin und Özlem Türeci zu Milliardären machen, Millionen Menschen das Leben retten, kommt bei Oxfam bestenfalls in einer Fußnote vor. Zu erwähnen, dass Elon Musks Vermögen durch die Decke geht, weil er einer klimaschonenderen Technologie zum Durchbruch verholfen hat, soll das Bild offenbar nicht stören. ... Durch die Auslassungen und Schwarzmalerei nimmt sich die Nichtregierungsorganisation den Wind leider ein gutes Stück weit selbst aus den Segeln.“
Kleinlichkeiten sind unangebracht
Statt die Ergebnisse des Berichts zu hinterfragen, sollten die realen Ungleichheiten anerkannt werden, fordert La Croix:
„Die Nichtregierungsorganisation, die darauf abzielt, die Gemüter zu erregen, neigt wahrscheinlich zu Ungenauigkeiten oder übertriebenem Moralismus. Dennoch ist das Bild, das sie uns präsentiert, in seinen Grundzügen kaum anzuzweifeln. ... Einige scharfsinnige Beobachter werden darlegen, dass die Vergleiche keinen Sinn ergeben, dass die Kluft vorübergehend ist und nur den rasanten Anstieg der Börsenkurse widerspiegelt. Es ist die allseits bekannte Litanei einer interessensgeleiteten Rhetorik. Aber bei diesem Thema ist Kleinlichkeit unangebracht. Die Ungleichheiten sind sehr real.“
Welt darf kein Corona-Labor bleiben
Opfer der zunehmenden Ungleichheit sind die armen Länder, klagt NRC Handelsblad:
„Hilfe ist nicht nur human, sondern es ist auch eine Frage des eigenen Interesses. Der Rest der Welt darf kein Labor bleiben, in dem das Virus weiter neue Mutationen ausprobieren kann. Aber vor allem: Menschen können Hilfe gebrauchen bei einer Katastrophe, für die sie nichts können, sowohl im Inland als auch im Ausland. Das erfordert Opfer, vor allem an der Spitze der globalen Vermögensleiter. Und dort befindet sich recht komfortabel der größte Teil der Niederländer, vielleicht zu ihrer eigenen Überraschung. “