Corona: Zwischen Lockerungen und Impfpflicht
Angesichts steigender Infektionszahlen, aber milderer Verläufe durch die Virus-Variante Omikron ist das weitere Vorgehen in Europa unterschiedlich: Österreich hat eine allgemeine Impfpflicht beschlossen und will Impfwillige mit Lotteriegewinnen locken. In England, Tschechien und der Türkei werden die Maßnahmen gelockert. Die europäische Presse ist zwiegespalten.
Lockung statt Lockdown
Dass Geimpfte in Österreich bald Gutscheine gewinnen können, kann eine sinnvolle Maßnahme sein, meint die Kleine Zeitung:
„Über eine Milliarde [Euro] kann die Impf-Lotterie kosten, wenn so gut wie alle Berechtigten daran teilnehmen. ... Eigentlich ist es ja erstaunlich, dass Gratis-Impfungen gegen diese gefährliche Krankheit nur mit finanziellen Lockungen oder Zwang ausreichende Akzeptanz finden sollen. Aber für die Lotterie gilt dasselbe wie für das Impfpflichtgesetz: Wenn es hilft, aus der endlosen Abfolge von Lockdowns auszubrechen, soll es sein.“
So wird das Ziel nicht erreicht
Die taz beäugt den Beschluss Österreichs äußerst skeptisch:
„Die Gesundheitsbehörden werden frühestens im April imstande sein, die Meldedaten mit den Impfdaten zu verknüpfen und so die beharrlichen Impfverweigerer von Amts wegen zu identifizieren. Den Impfstatus überprüfen soll die Polizei, aber das nicht gezielt, sondern im Rahmen einer anderen Amtshandlung, etwa bei einer Verkehrskontrolle oder beim Anhalten von Randalierern. ... Besonders widersprüchlich ist aber, dass die Impfpflicht am Arbeitsplatz nicht gilt, ausgerechnet dort, wo eine Überprüfung am einfachsten wäre. ... Man muss kein großer Prophet sein, um vorauszusagen, dass mit dem Gesetz das Ziel, 90 Prozent der Bevölkerung durchzuimpfen, nicht erreicht wird.“
Leichtsinnige Kehrtwende
Die neue tschechische Regierung hat die von ihrer Vorgängerin angeordnete Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen und für Menschen über 60 Jahren aufgehoben. Premier Petr Fiala begründete das damit, dass man die Gräben in der Gesellschaft nicht vertiefen wolle. Lidové noviny findet das unvorsichtig:
„Die Regierungsexperten kippten den unpopulären Schritt, weil sie davon ausgehen, dass Omikron die Krankenhäuser nicht übermäßig belasten werde. Was uns als Nächstes erwarten könnte, bleibt unbeantwortet. Epidemiologen hatten die Impfung ausgewählter Berufsgruppen für sinnvoll erachtet. Andere Länder setzen darauf. Niemand von uns kann sicher sein, dass es keine neue Mutation geben wird. Angesichts dessen ist das jetzige Konstrukt ideologisch und trügerisch. “
Ein Pokerspiel zum Machterhalt
Für England hat Boris Johnson eine Aufhebung der Maskenpflicht angekündigt. The Times ist skeptisch:
„Fraglos stehen hinter der Entscheidung der Regierung politische Erwägungen. ... Es gibt keinen guten Grund, warum es im Interesse der öffentlichen Gesundheit sein sollte, die Maskenpflicht an öffentlichen Orten fallen zu lassen, solange die Fallzahlen so hoch sind ... Aber es ist auch unwahrscheinlich, dass Johnson die Einschränkungen hätte aufrechterhalten können, selbst wenn er es versucht hätte. Mehr als 100 Tory-Abgeordnete lehnten sie schon bei Einführung ab. Während die Führung des Premierministers am seidenen Faden hängt, hätte auch keiner seiner potenziellen Nachfolger gewagt, den Zorn der Abgeordneten auf sich zu ziehen.“
Testen nur bei Symptomen ist hoch riskant
In der Türkei haben seit Mitte Januar nur Menschen mit Covid-Symptomen ein Anrecht auf einen kostenlosen PCR-Test. Kontaktpersonen ohne Symptome werden nicht mehr kostenlos getestet. Das wird nach hinten losgehen, warnt Hürriyet:
„Die Aufhebung der Testpflicht für Kontaktpersonen ohne Symptome verhindert die Erkennung positiver Fälle. Das sorgt dafür, dass Infizierte ohne Symptome das Virus auf andere Menschen übertragen. ... Ebenso problematisch ist, dass seit dem 15. Januar von Ungeimpften beim Besuch von Konzerten, Kinos oder anderen öffentlichen Räumen sowie bei Bus- und Zugfahrten zwischen den Städten kein PCR-Test mehr verlangt wird. ... All das deutet auf eine Lockerung der Covid-19-Testpolitik hin und wird vermutlich den Kampf gegen die Epidemie schwächen.“