Selenskyj will Ukrainer über Abkommen abstimmen lassen
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat am Montag erklärt, die Bürgerinnen und Bürger der Ukraine über eine eventuelle künftige Vereinbarung mit Russland per Volksabstimmung entscheiden zu lassen. Ein Referendum sei nötig, weil die Verhandlungsergebnisse mit Russland über das Schicksal der Ukraine historisch sein könnten, so Selenskyj. Kommentatoren reagieren mit vorsichtiger Zustimmung.
Starkes Signal an Putin
Die Idee ist ungewöhnlich, aber nicht weltfremd, meint Der Standard:
„Sie mag vielleicht keine unmittelbare Zukunftsperspektive abgeben, dafür aber sagt sie umso mehr aus über die Gegenwart. Selenskyj sendet mit ihr ein Signal an die Welt und an sein russisches Gegenüber Wladimir Putin: In Kiew regiert kein Alleinherrscher. ... Nun richtet Selenskyj dem Kreml aus, dass er nicht vorhat, sich von Moskau am Verhandlungstisch zu einsamen Entscheidungen zwingen zu lassen. Und ein wenig schwingt da auch mit, dass er sich selbst nicht für den einzigen Garanten der Freiheit seines Landes hält. ... Auch das war Selenskyjs Botschaft an Putin: Wir beide wissen nicht, wann und wie dieser Krieg endet. Aber ich bin es, der auf die Menschen in meinem Land bauen kann.“
Referendum könnte Frieden untergraben
Lidové noviny würdigt die Ankündigung des ukrainischen Präsidenten als vorbildlich demokratisch, sieht jedoch auch ein Problem:
„Staaten, die in der Geschichte zu einer strategischen Vereinbarung mit Russland gedrängt wurden, zahlten dafür mit dem Verlust eines Teils ihres Territoriums. Wir können nur spekulieren, wie einst Finnen, Polen oder Tschechoslowaken abgestimmt hätten. Den Ukrainern aber stellt sich die Frage tatsächlich. Wollen sie Frieden mit Russland? Natürlich ja. Aber auch auf Kosten des Verlusts der Krim und anderer Gebiete? Verneinten das die Ukrainer, würden sie für viele zu Kriegstreibern werden, die den fast vollendeten Frieden untergraben. Das ist der Haken an der Volksabstimmung.“