Organspende: Schweiz stimmt für Widerspruchslösung
In der Schweiz haben sich 60 Prozent der Abstimmenden eines Referendums für die sogenannte Widerspruchslösung bei Organspenden ausgesprochen. Bei Verstorbenen wird damit das Einverständnis zur Organentnahme vorausgesetzt, sofern zu Lebzeiten kein Widerspruch hinterlegt wurde. Landesmedien begrüßen das Ergebnis, obwohl es vor der Abstimmung durchaus Bedenken gegeben hatte - wohl auch wegen eines wichtigen Details.
Endlich Gesprächsthema
Die Regierung muss die Menschen nun umfassend über die Rechte und Pflichten bei der Organspende informieren, fordert die Aargauer Zeitung:
„[E]inerseits stimmten knapp 40 Prozent gegen die neue Regel, was auch als Ausdruck einer allgemeinen Skepsis gegenüber der Organspende zu lesen ist. Diesen Bedenken gilt es Rechnung zu tragen. Andererseits steigt die Spenderate nur, wenn die Widerspruchslösung auch erfüllt, was sie bezwecken wollte: Dass die Menschen miteinander über das Thema Organspende reden. ... Die Schweizer Form der Widerspruchslösung ist zurückhaltend, weil sie zwar davon ausgeht, dass jede Person eine Spenderin, ein Spender ist. Die Organe werden aber nicht ohne die Zustimmung der Angehörigen entnommen.“
Eigenverantwortung bleibt
Der Tod gehört zum Leben und als Thema an den Familientisch, betont die Boulevardzeitung Blick:
„Egal, ob man seine Organe zu spenden bereit ist oder nicht: Entscheidend ist, dass man sich überhaupt entscheidet - und seinen Willen zum Ausdruck bringt. ... Ist man nicht im Register eingetragen, bleibt der Entscheid nämlich auch in Zukunft an den Angehörigen hängen. Diese müssen am Sterbebett Ja oder Nein sagen. Und dass sie, überwältigt von Trauer und Überforderung, eher ablehnen, ist verständlich. Entscheide dich deshalb selbst!“
Liberales Menschenbild ade
Die Neue Zürcher Zeitung pocht auf die Entscheidungsfreiheit des Individuums:
„Wer spenden will, kann und soll das tun, keine Frage. … Entscheidend ist, dass der Spender dies freiwillig beschliesst, aus eigener Überzeugung. Das Widerspruchsmodell will dem ein Ende setzen: Die Organspende soll von einem freiwilligen Akt der Nächstenliebe, von einer altruistischen Handlung zur staatlich verordneten Regel werden. … Selbstbestimmung und Eigenverantwortung erodieren, die staatliche Macht wächst. Mit einem liberalen Menschenbild hat eine solche Politik nichts zu tun.“
Ohne Spenderausweis keine Transplantation
Wer im Bedarfsfall ein Spenderorgan implantiert haben möchte, sollte auch bereit sein, eigene Organe zu spenden, findet der Tages-Anzeiger:
„Wenn die Entnahme von Organen ethisch nicht haltbar ist, dann ist es auch nicht deren Annahme. Mit anderen Worten: Wer die Organspende - vielleicht aus gutem Grund - verweigert, sollte bei Bedarf auch auf eine Implantation verzichten. Nur nehmen, aber nicht geben - das ist nicht bloss Ausdruck von Egoismus, sondern vor allem inkonsequent. … Man könnte die Regel einführen: Wer frühzeitig die Zustimmung zur Organspende gegeben hat, kommt bei Bedarf auf der (langen) Warteliste für Organe nach vorne. Eine Widerspruchslösung, wie sie jetzt zur Abstimmung steht, wäre dann überflüssig. Es gäbe genügend Leute, die von sich aus ihr Ja geben würden.“