US-Abtreibungsurteil treibt Tausende auf die Straße
Der Supreme Court in den USA hat am Freitag den Weg für Abtreibungsverbote freigemacht: Ein bundesweit geltendes Grundsatzurteil von 1973, das Frauen das Recht zusprach, selbst über Abbruch oder Fortführung einer Schwangerschaft zu entscheiden, wurde damit gekippt. Etliche Bundesstaaten reagierten bereits mit Gesetzesverschärfungen, Tausende demonstrierten gegen die Entscheidung. Was bedeutet das für die Menschenrechte?
Vielleicht nur der Anfang
Expressen befürchtet weitere einschneidende Entscheidungen:
„Im schlimmsten Fall ist das nur der Anfang einer konservativen Offensive gegen liberale Werte in den USA. Die drei Richter am Obersten Gericht, die sich gegen [die Aufhebung bisher geltenden Rechts] ausgesprochen hatten, schreiben in einem Kommentar: 'Nun sind mehrere weitere Rechte bedroht, so der Zugang zu Verhütungsmitteln, gleichgeschlechtlicher Sex und gleichgeschlechtliche Ehen.' Der Konservative [Richter] Clarence Thomas schreibt unterdessen, just diese Rechte seien 'Fehler', die es zu berichtigen gelte.“
Müttersterblichkeit wird drastisch zunehmen
Das wird viele Frauen dazu bringen, illegal abzutreiben, meint der Historiker Marius Oprea in Mediafax:
„Die Müttersterblichkeit als Folge von Schwangerschaftsabbrüchen wird in den USA apokalyptische Ausmaße annehmen. Auf die Tragödie der Mütter wird die Tragödie ausgesetzter Neugeborener folgen, auf die das Sozialsystem der USA null vorbereitet ist. Andererseits wird sich in der gebildeten oder/und reichen Schicht nicht viel ändern: Der Verkauf von Verhütungsmitteln und die Präventivmaßnahmen, um nicht schwanger zu werden, werden wachsen und mit Geld kann man alles lösen, einschließlich eine Abtreibung in einer exklusiven Privatklinik in einem freizügigeren US-Bundesstaat oder in Europa.“
Rechte Außenseiter werden zum Mainstream
Eine unheilvolle Verschiebung der politischen Verhältnisse in den USA beklagt die Historikerin Joan Wallach Scott in L'Obs:
„Dass Frauen das Recht auf Abtreibung, auf Kontrolle über ihren eigenen Körper zugunsten ihrer eigenen Interessen und derer ihrer Familien verlieren, ist – in diesem schrecklichen reaktionären Moment – dem politischen Sieg der autoritären Rechten geschuldet. Eine Rechte, die sich nicht nur durch Grausamkeit, Rassismus und Sexismus auszeichnet, sondern auch durch einen boshaften Wahnsinn. ... Gruppen, die früher als Außenseiter oder gar verrückt galten, sind seit der Präsidentschaft von Donald Trump Mainstream geworden.“
Endlich darf wieder das Volk entscheiden
Dass nun wieder demokratisch gewählte Institutionen über diese ethische Frage entscheiden, freut The Spectator:
„Selbst jene, die für liberale Abtreibungsregelungen eintreten, sollten dieses Urteil des Obersten Gerichtshofs begrüßen, zumindest wenn man Wert auf einen gesunden politischen Prozess auf der Grundlage demokratischer Debatten legt. ... Nirgendwo in der US-Verfassung lässt sich ein Recht auf Abtreibung herauslesen. ... Entscheidungen wie einst im Fall 'Roe' laufen auf Gesetzgebung hinaus: Sie gehören in die Legislative, nicht in die Judikative. ... Was auch immer man über Abtreibung denken mag, es wird nicht länger möglich sein, neun nicht gewählte Männer und Frauen in Washington das Thema vorentscheiden zu lassen. Recht so.“
Kroatische Verfassung jetzt reformieren!
Das abschreckende Urteil sollte auch in Europa Konsequenzen haben, fordert der Journalist Gordan Duhaček in Index:
„Das Recht auf Abtreibung muss in die kroatische Verfassung. Wir haben die Chance. Der Moment ist gekommen. Jetzt, jetzt, jetzt! Wer nicht bereit ist für den Kampf, verdient den politischen Ruin. Solche Haderer brauchen wird nicht. Deshalb will ich sehr klar sagen: Ich erwarte von allen parlamentarischen Parteien, die sich als links oder liberal ansehen, dass sie eine Petition für eine Verfassungsreform für das Recht auf Abtreibung starten und dass sich alle anderen gesellschaftlichen Akteure, denen an den Frauenrechten liegt, dieser anschließen.“