Selenska und Selenskyj in der Vogue
Olena Selenska, die Ehefrau des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, steht im Fokus einer Titelgeschichte des Modemagazins Vogue. Die Bilder von Starfotografin Annie Leibovitz zeigen Selenska sowohl mit ihrem Mann als auch vor Militärs und der Zerstörung durch den Krieg. Ob das Medium hier zur Botschaft passt, fragt sich Europas Presse.
Pathologische Oberflächlichkeit durchdringt alles
Die Art und Weise, wie Selenska hier in Szene gesetzt wurde, hält Público für völlig missglückt:
„Um diese Realität zu veranschaulichen, diese Schizophrenie, die vor allem in Kyjiw herrsche, 'wo man im Café einen Matcha trinken und danach eine Stunde nach Butscha fahren kann, um das Massengrab zu besuchen', war es nicht nötig, einen Bericht wie den in der Vogue zu veröffentlichen. ... Statt raffinierter Posen, die an schlechten Geschmack grenzen, hätte Leibovitz' Talent genutzt werden können, um Selenskas Alltag mit der ukrainischen Bevölkerung zu illustrieren. Stattdessen zog man es vor, das Grauen zum Laufsteg zu machen. ... Dieser Journalismus ist nicht die Krankheit, er ist nur ein Symptom für die pathologische Oberflächlichkeit, die alles zu durchdringen versucht.“
Geste des Aufbegehrens der ukrainischen Frauen
Das kraftvolle und intelligente Auftreten von Olena Selenska feiert der Kolumnist Iñaki Ellakuría in El Mundo:
„Diese Flut der Kritik [gegen die vermeintliche Verharmlosung des Kriegs durch Selenska] veranlasste mich, das Interview zu lesen und darin ein Stück guten Journalismus zu entdecken, in dem Selenska die dramatische Lage in der Ukraine schonungslos schildert und die diplomatische Kampagne verschärft, mit der das Land verhindern will, dass der Westen seine Unterstützung lockert. ... Vor allem aber symbolisiert es dank der großartigen Porträts von Leibovitz eine kraftvolle Geste des Aufbegehrens der ukrainischen Frauen gegen diejenigen, die sie zum Schweigen bringen, vergewaltigen und töten wollen. ... Du kannst uns mal, Putin!“
So sehr gehört die Ukraine schon zum Westen
Die Debatte über das Fotoshooting zeigt, dass man im Falle der Ukraine eindeutig westliche Bewertungsmaßstäbe anlegt, beobachtet Polityka:
„Einige westliche Kommentatoren können es offenbar nicht ertragen, dass ein solches Foto in einer Modezeitschrift während eines Krieges erscheint. ... Allein durch diese Verstörung beweist die Ukraine, dass sie Teil der westlichen Welt ist. ... Die Ukraine formt ihr eigenes Narrativ, für sie ist 'Vogue' nichts Fremdes, sondern eine Zeitschrift, die ihre eigene (übrigens sehr interessante) ukrainische Ausgabe hat. Sie greift auf Elemente der westlichen Medienkultur zurück, weil sie selbst ein Teil davon ist. Und die darin enthaltenen Botschaften bestätigen dies nur.“