Wie groß sind Johnsons Fußstapfen?
In London fallen am heutigen Montag die Würfel. Gegen Mittag teilen die Tories mit, wen die Mitglieder der Conservative Party zum Nachfolger von Boris Johnson gewählt haben. Für Europas Presse steht die Gewinnerin schon vorher fest. Doch inwieweit die Favoritin Liz Truss als künftige Regierungschefin Ruhe vor ihrem Vorgänger haben wird, bleibt für die Kommentatoren fraglich.
Truss wird keine Ruhe haben
Der Ex-Premier wird Truss attackieren, sobald er sich davon einen Vorteil verspricht, ist sich The Guardian sicher:
„Johnson wird durch den Gedanken ermutigt, dass er schon viele Male als abgeschrieben galt, nur um dann Comebacks zu feiern, die alle für unmöglich hielten. Dieses Bestreben mag durchaus nur eine Fantasie sein, aber folgt er diesem Anliegen, wird er damit die Medien und seine Partei in einen Bann ziehen, der von seiner Nachfolgerin ablenkt und diese destabilisiert. ... Truss wird in ihrem Amt als Premierministerin von Tag eins vor großen Gefahren stehen und er [Johnson] wird keine Skrupel haben, ihre Schwachstellen auszunutzen, wenn er glaubt, dass es seiner Sache dient.“
Johnson ist nicht verschwunden
Visão erwartet, dass Johnson auch künftig in der Politik mitmischen wird:
„Es steht außer Frage, dass er auch in schwierigen Zeiten gerne feiert und trinkt, aber er hat nie den Anspruch erhoben, der Inbegriff von Tugend und gutem Benehmen zu sein. ... Er hat Kyjiw bedingungslos unterstützt und nie verkündet oder akzeptiert, dass das militärische Ergebnis etwas anderes sein könnte als ein ukrainischer Sieg. Biden und die Nato wurden von diesem Premierminister vorangetrieben, der für die Ukrainer der charismatischste Außenpolitiker ist. Liz Truss wird kommen, aber Boris ist nicht verschwunden.“
Das Projekt von Mister Brexit vollenden
Der scheidende Premier hat viel richtig gemacht und wird fehlen, meint The Daily Telegraph:
„Er ist Mister Brexit. Mit seiner einzigartigen Kombination aus Humor, Vernunft und Leidenschaft, überzeugte er während des Referendums das britische Volk, den Mut zu haben, ihrer Überzeugung zu folgen und für den Austritt aus der Europäischen Union zu stimmen. ... Selbst wenn die verschiedenen Kontroversen um ihn noch Jahre nachhallen werden, sollten die Tories nicht vergessen, wofür er ursprünglich eintrat. Im Gegenteil: Es wäre ein erstrebenswertes Ziel, das Projekt, das Johnson in den Jahren von 2016-19 startete, nun zu vollenden - nämlich das Brexit-Versprechen zu erfüllen.“
Zeit des Populismus ist vorbei
Johnsons Nachfolgerin muss einen Wandel in der Politik herbeiführen, mahnt Die Presse:
„Truss wird keine Schonzeit als Premierministerin gegönnt sein. Nach den Märchenstunden im Wahlkampf wartet ein umso ernüchternderes Rendezvous mit der Realität. … Der kurzatmige Populismus, der Truss nach oben spülte, wird ihr Land nicht weit bringen. Und sie selbst auch nicht. Großbritannien braucht im Moment keine flatterhaften Spaßvögel wie Johnson an der Macht und auch keine Instagram-Poserinnen, die hohle Reizphrasen dreschen, sondern ernsthafte und klarsichtige Führung.“