IAEA fordert Sicherheitszone um AKW Saporischschja
Die Internationale Atomenergiebehörde IAEA schlägt Alarm: Die Lage im vom russischen Militär kontrollierten AKW sei "unhaltbar", so der Bericht nach dem Besuch der Anlage. Kommentatoren beschäftigen sich mit dem Umstand, dass Russland im Bericht keine Kriegsverbrechen vorgeworfen werden, und sehen die Behörde in einer schwierigen Lage.
Die Aufsichtsbehörde hat ihre Neutralität gewahrt
Man darf von der IAEA nicht mehr verlangen als sie leisten kann, beschwichtigt der Politologe Wolodymyr Fessenko in NV:
„Wie erwartet versucht die IAEA in diesem Bericht eine formale Neutralität zu wahren, aber dennoch erkennt die IAEA-Mission in ihrem Bericht zumindest indirekt an, dass die Hauptrisiken aus dem Umstand der Besetzung der Anlage durch russische Truppen resultieren. ... Alle internationalen Organisationen, auf die Russland Einfluss hat, einschließlich der IAEA, bemühen sich um formale Neutralität und appellieren daher an beide Kriegsparteien. Deshalb sollte man von der IAEA auch nichts Außergewöhnliches erwarten. … Was sie tun kann, ist die Situation in der Anlage weiter zu beobachten und dort nach Möglichkeit eine ständige Mission einzurichten.“
Rosatom setzt seine Interessen durch
Dass die IAEA kein Wort über die russische Verantwortung für den Krieg verliert, überrascht den Deutschlandfunk nicht:
„Die IAEA setzt sich, laut Satzung, für Zusammenarbeit im Bereich der Atomenergie ein, für deren sichere und friedliche Nutzung. Russland ist der weltweit größte Akteur im Bereich Atomenergie, entwickelt und verkauft Atomkraftwerke in zahlreiche Länder, beliefert sie mit Brennstäben und gewährt bei Bedarf auch noch Kredite für deren Bau. Die Fäden laufen beim staatlichen russischen Atomenergiekonzern Rosatom zusammen, der wurde seinerzeit per Erlass von Präsident Wladimir Putin gegründet. Man kann getrost davon ausgehen, dass Rosatom alles tut, um die Interessen der russischen Führungselite in der IAEA durchzusetzen.“
Zu Kriegsverbrechen geschwiegen
Der ukrainische Menschenrechtsbeauftragte Dmytro Lubinetz zeigt sich in einem Facebook-Post enttäuscht:
„Es werden lediglich die belastenden Bedingungen, der Druck und die Bedrohungen erwähnt, denen das AKW-Personal ausgesetzt ist, nicht aber die bereits bekannten außergerichtlichen Hinrichtungen und Folterungen von Mitarbeitern durch das russische Militär. Auch wenn die IAEA-Mission wiederholt erklärt hat, dass sie nicht instrumentalisiert und für politische Diskussionen benutzt werden möchte, gilt es doch zu erkennen, dass die Sicherheit des Personals keine Politik, sondern ein Grundsatz der nuklearen Sicherheit ist. Und es ist ein inakzeptabler Fehler, zu den Kriegsverbrechen des russischen Militärs, das de facto das AKW Saporischschja kontrolliert, gegen das Personal des AKW zu schweigen.“
Enormer Druck könnte fatale Fehler provozieren
La Repubblica hebt die besondere Bedeutung des Faktors Mensch in der aktuellen Situation hervor:
„Die ukrainischen Techniker, die den Betrieb der Anlage leiten - unter der physischen Kontrolle der russischen Soldaten, aber auch in Kontakt mit der ukrainischen Regierung - stehen unter Druck. Sie können keine freien Entscheidungen treffen und haben die Anlage seit 40 Tagen nicht verlassen. Dies könnte zu Fehlern führen, und zwar in einem Kontext, in dem es sehr ratsam wäre, keine Fehler zu machen.“