Europäische Zentralbank erhöht Leitzins deutlich
Es ist der größte Zinsschritt seit Einführung des Euro: Die Europäische Zentralbank hebt den Leitzins um 0,75 Prozentpunkte auf 1,25 Prozent an. Bereits im Sommer hatte der EZB-Rat die Abkehr der jahrelangen Nullzinspolitik beschlossen. Damit soll der grassierenden Inflationsrate von 9,1 Prozent im Euroraum entgegengewirkt werden. Die Währungshüter haben die Entwicklung verschlafen, monieren Kommentatoren.
Längst überfällige Anpassung
Christine Lagarde handelt spät, aber sie handelt, freut sich das Handelsblatt:
„Und das erstmals mit Verve. Es war ein notwendiger, aber längst kein hinreichender Schritt, um erstens die Inflation nachhaltig einzudämmen und zweitens verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. Letztlich ist es ein Schritt zur Schadensbegrenzung - nicht mehr, aber auch nicht weniger. Schadensbegrenzung deshalb, weil die EZB viel zu lange die Inflationsdynamik unterschätzt hat. Und weil sie die Welt außerhalb der Notenbank mit ihrem Mantra, es handele sich um ein 'vorübergehendes' Phänomen, derart einzulullen versuchte, dass es an Realitätsverweigerung grenzte. Lagarde hat diese Fehler offen eingestanden. Dafür gebührt ihr Respekt.“
Einlenken unter Zwang
El Mundo findet die EZB sträflich kurzsichtig:
„Die Währungsbehörde kapituliert vor den Anzeichen einer außer Kontrolle geratenen Inflation, nachdem sie ein Jahrzehnt lang leichte Kredite und billiges Geld gefördert hat. ... Die Notwendigkeit, die Wirtschaft abzukühlen, auch auf die Gefahr hin, eine Rezession auf europäischem Boden auszulösen, ist unumgänglich geworden. Dies ist die größte Zinserhöhung in der Geschichte: 0,75 Prozent. ... Der EZB ist vorzuwerfen, dass sie in den Boomjahren viele Gelegenheiten hatte, die Zinssätze moderat anzuheben, aber letztendlich zu einer beispiellosen Erhöhung gezwungen wird, jetzt wo die Haushalte und Unternehmen am schwächsten sind: Teurere Hypotheken und schwierigere Kredite warten auf sie.“
Fatale Auswirkungen für Frankreich
Die zweitgrößte Volkswirtschaft der EU hat wichtige Reformen verpasst und das rächt sich jetzt, meint L'Opinion:
„Nun kommt eine Zeit, in der Geld nicht mehr magisch, sondern tragisch, weil teuer ist. Und das hat verhängnisvolle Folgen: eine immer mehr in den Haushalt fließende Staatsverschuldung, ein Sozialstaat, der gelähmt ist, weil er nicht reformiert wurde, ein geringerer Lebensstandard, ausgelöst durch ein kaum mehr vorhandenes Wirtschaftswachstum. ... Während der Krieg vor unserer Haustür weitergeht, ist es wahrscheinlich übertrieben, von einer neuen Welt zu sprechen. Und doch ist es so. Hoffentlich schauen unsere Politiker dieses Mal nicht weg.“