Raketentest über Japan: Was will Kim Jong-un?
Nordkorea hat am Dienstag Japan mit dem Überflug einer Mittelstreckenrakete provoziert. Südkorea und die USA feuerten daraufhin einen Tag später ebenfalls mehrere Raketen in Richtung Japanisches Meer ab. Es war das erste Mal seit fünf Jahren, dass Pjöngjang bei einem Raketentest ein Geschoss über die Inselgruppe hat fliegen lassen. Droht eine Eskalation?
Fatale Fehlinterpretationen möglich
Man sollte die Gefahr nicht unterschätzen, warnt Polityka:
„Es ist bereits einige Male vorgekommen, dass der Norden eskalierte, mit Krieg drohte, Bomben und Raketen zündete, dann 'heldenhaft' einen globalen Konflikt verhinderte und sich schließlich mit einer Liste von Forderungen anbiederte. ... Nun sind die Umstände so, dass die Uno angesichts der russischen Blockade keine neuen Sanktionen verhängen kann. ... Militärische Demonstrationen sind möglich, einschließlich Überflügen der US-amerikanischen oder südkoreanischen Luftwaffe in Grenznähe. Aber jetzt ist ein solches Spiel gefährlicher. Fehler können leicht passieren, auch die fatale Fehlinterpretation der Züge des Gegners. Unter solchen Bedingungen können Erpressungen zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung werden.“
Xi und Putin schauen schadenfroh zu
Kim fühlt sich offenbar gerade stark wie lange nicht mehr, kommentiert der Deutschlandfunk:
„Diktator Kim [setzt] seine Aufrüstung mit Atomwaffen und Raketen ungeniert fort, um das US-Festland direkt bedrohen zu können. So wie etwa Pakistan sollen die USA Nordkorea als Atommacht akzeptieren und die UN-Sanktionen aufheben. Neue Strafmaßnahmen braucht Kim nicht zu fürchten, China und Russland werden den Sicherheitsrat blockieren. Schadenfroh schauen ihre Präsidenten Xi und Putin zu, wie die USA, Japan und Südkorea dieser nordkoreanischen Strategie nichts entgegenzusetzen haben. Einen heißen Krieg auf der koreanischen Halbinsel können die Alliierten nicht gebrauchen. Daher bleibt ihnen nichts anders übrig, als Führer Kim hilflos gewähren zu lassen.“
Ignorieren ist keine Option
Man muss auf die Provokation Nordkoreas mit Sanktionen und Abschreckung reagieren, findet The Times:
„Vorbild sollten die strengen Sanktionen sein, die den Iran im Jahr 2015 an den Verhandlungstisch zwangen. Und in der Zwischenzeit sollte die Biden-Regierung mit den Militärübungen mit ihren Verbündeten in der Region und ihrer Hilfe für diese fortfahren. Die Strategie der Eindämmung ist eine langfristige Strategie ohne Erfolgsgarantie. Aber die Grundvoraussetzung für eine friedliche Weltordnung ist, dass man Fehleinschätzungen durch einen Aggressor vorbeugt und jeden Verstoß gegen internationale Abkommen bestraft. Das ist die einzig vernünftige Haltung im Umgang mit Nordkoreas streitsüchtigem Totalitarismus.“
Freifahrtschein für Kim
Moskau und Peking werden sich nicht für Sanktionen gegen Pjöngjang aussprechen, prognostiziert Le Monde:
„Pjöngjang schont auch seinen traditionellen Partner China. In einem Brief an den chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping anlässlich des 73. Jahrestages der Gründung der Volksrepublik China am 1. Oktober bezeichnete Kim Jong-un die Beziehung zu Peking als 'unbesiegbare Freundschaft'. Vor diesem Hintergrund scheint es ausgeschlossen, dass Moskau und Peking im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen für Sanktionen gegen Pjöngjang stimmen werden. Das gibt Nordkorea einen Freifahrtschein für die Fortsetzung der Entwicklung nuklearer Waffen und Raketen.“
Nordkorea will die Aufmerksamkeit der USA
Wassili Golownin, Japan-Korrespondent der Nachrichtenagentur Tass, nennt auf Facebook Motive, die Nordkorea zu seinem Raketentest veranlasst haben könnten:
„Pjöngjang wollte mit diesem Raketenstart deutlich auf ein groß angelegtes Manöver reagieren, das eine US-Marinegruppe vor der koreanischen Halbinsel abgehalten hatte. ... Auch Kriegsschiffe aus Japan und Südkorea waren daran beteiligt. In Tokio spekuliert man, dass Pjöngjang vor den Midterm-Wahlen in den USA derart provokante Aktionen wiederholen wird, um Washingtons Nordkorea-Politik zu einem wichtigen Wahlkampfthema zu machen. Der Start einer Interkontinentalrakete mit dem Potenzial, US-Territorium zu treffen, kann nicht ausgeschlossen werden.“