COP27: Wieder nur Gerede?
In Ägypten geht die 27. UN-Klimakonferenz ihrem Ende entgegen. Ein Kernthema des Mammut-Events mit mehr als 190 beteiligten Ländern war die Forderung nach Ausgleichszahlungen von Industriestaaten als Hauptverursachern des Klimawandels an besonders betroffene Entwicklungsländer. Ob derartige Treffen und Maßnahmen bei der Klimarettung wirklich helfen, wird von Europas Presse kontrovers diskutiert.
Solche Gipfel sind Augenwischerei
Von Klimagipfeln in Luxus-Resorts ist nichts zu erwarten, ärgert sich Primorske novice:
„Wenn bei all den Gesprächen eine konkrete Einigung erzielt würde, die tatsächlich zu einer langsameren Erderwärmung, zu weniger Umweltverschmutzung und Schrumpfung des Amazonas-Regenwaldes, zum Schutz von Tier- und Pflanzenarten beitragen würde, dann könnten wir den Teilnehmern den Luxus verzeihen. Aber so etwas wird mit ziemlicher Sicherheit nicht passieren, denn in Zukunft warten neue Klimagipfel auf sie. Wo sie, wenn die Scheinwerfer ausgehen, etwas Gutes essen und trinken, sich gegenseitig auf die Schulter klopfen, lachen und neue Geschäfte vereinbaren, die einem immer kleiner werdenden Kreis Auserwählter Komfort und Bequemlichkeit sichern.“
Klimarettung geht vor Handel und Krieg
Eldiario.es und über 30 internationale Medienpartner veröffentlichen zeitgleich einen Leitartikel, in dem sie zu dringenden Maßnahmen gegen die Klimakrise aufrufen:
„Die Lösung der Klimakrise ist der Flug zum Mond unserer Zeit. Die Landung auf dem Erdtrabanten gelang in nur einem Jahrzehnt dank enormer Ressourcen, die in das Projekt flossen. Das jetzt erforderliche Engagement ist ähnlich. ... Handelsstreitigkeiten und der Krieg in der Ukraine dürfen die internationale Klimadiplomatie nicht blockieren. ... Der UN-Prozess mag nicht perfekt sein, aber er hat es ermöglicht, allen Nationen das gemeinsame Ziel der Rettung des Planeten nahezubringen.“
Zu viele Lobbyisten für fossile Brennstoffe
Wie erneuerbare Energien endlich global stärker zum Zug kommen könnten, überlegt Hürriyet:
„Nach Angaben von zwei Umwelt-NGOs nahmen mehr als 600 Lobbyisten für fossile Brennstoffe an dem Gipfel teil. Das ist eine 25-prozentige Steigerung gegenüber dem Gipfel letztes Jahr in Glasgow. Bei einem Gipfel, auf dem die Öl- und Gaslobby so stark ist, stellt sich die Frage, wie arme afrikanische Länder ihre Rechte einfordern können. ... Daher braucht es im Kampf gegen die Klimakrise einen neuen Ansatz. Länder, die Vorreiter bei umweltfreundlichen Innovationen und Technologien sind, haben das Potenzial, andere Länder wirtschaftlich zu überholen. Den Kampf gegen die Klimakrise in eine 'profitable' kommerzielle Bewegung zu verwandeln, könnte der Schlüssel sein.“
Gastgeber steht nicht für eine bessere Zukunft
Ägypten ist für Irish Examiner ein völlig unpassender Austragungsort:
„Die Behörden haben mehr als 2.000 Wohltätigkeitsorganisationen aufgelöst, deren Vermögen wegen angeblicher Verbindungen zur jetzt verbotenen Muslimbruderschaft beschlagnahmt und das Vorgehen auf Umweltaktivisten ausgeweitet. ... Die führenden Politiker, die sich in Scharm-el-Scheich versammelt haben, dürfen die Augen nicht vor der Brutalität des Regimes von al-Sisi verschließen. Eine Diktatur in politischen Turbulenzen ist kaum ein geeigneter Ort für die COP27 – oder generell für eine Versammlung, deren erklärtes Ziel es ist, eine bessere Zukunft für die Menschheit zu schaffen.“
Es braucht politische Entscheidungen
Individuelle Verhaltensanpassungen reichen nicht aus, um den Klimawandel entscheidend zu bremsen, betont Népszava:
„Das Optimum können wir fürs Klima und damit auch für die Rettung des Lebens auf der Erde nicht allein durch die Änderung unserer Konsumgewohnheiten und unseres Lebensstils erreichen - diese sind auch nötig, reichen aber nicht aus -, sondern durch politische Entscheidungen. Solange die Welt (und freilich auch Ungarn) weiterhin Menschen an die Macht bringt, auf deren Agenda diese buchstäblich überlebenswichtige Frage überhaupt nicht vorkommt, haben wir keine Chance, der Klimafalle, die die Menschheit sich selbst gestellt hat, zu entkommen.“
Es ist alles nur Show
Vom Klima-Gipfel in Ägypten ist nicht viel zu erwarten, mahnt Delo:
„Der Hauptsponsor des 27. Klima-Gipfels ist Coca-Cola. Das ist ein schlechter Witz. Coca-Cola ist einer der größten Verbraucher von Plastik, das aus fossilen Brennstoffen hergestellt wird. Jährlich produziert Coca-Cola 120 Milliarden Plastikflaschen. Die meisten davon werden nicht recycelt. Greta Thunberg und ihre Generation der Umweltaktivisten werden nicht am Klima-Gipfel in Ägypten teilnehmen. Ihr ist nämlich klar, dass die wirtschaftlichen und politischen Eliten dort für kurze Zeit grüne Masken aufsetzen und anschließend das Geschäft gut geölt wie gewohnt weiterläuft. Bis zum Tag des Jüngsten Gerichts.“
Westeuropa ist ein schlechter Lehrmeister
Mit dem EU-Beschluss, ab 2035 keine Verbrennungsmotoren mehr zu erlauben, ist es nicht getan, kritisiert Jutarnji list:
„Die Herausforderung für die EU ist es nun, saubere Autos ohne Emissionen den Bürgern auch zugänglich zu machen, nicht nur den Reicheren, wie es heute der Fall ist. ... Die EU hat das Recht, von anderen einen Beitrag dazu zu verlangen, die Klimaveränderungen aufzuhalten. Aber in Anbetracht seiner kolonialen Vergangenheit und dass es Anführer der industriellen Revolution war, was zur Beschleunigung der Klimaveränderungen führte, kann Westeuropa sich nicht vor seiner Verantwortung drücken und sollte nicht denken, es habe seinen Part dadurch erfüllt, indem es innerhalb der EU so hohe Standards gesetzt hat.“
Genügsamkeit muss Gier verdrängen
Im Kampf gegen den Klimawandel müssen wir uns in Verzicht üben, urteilt Le Quotidien:
„Schon jetzt stürzen wir uns auf die Minen seltener Metalle, um riesige Fabriken zu beliefern, die die wertvollen Batterien für unsere zukünftigen Fahrzeuge herstellen. Das ist zwar innovativ, aber immer noch eine Massenproduktion. Wir wollen wie 'früher' leben, indem wir die Dinge, die uns umgeben, einfach 'grüner' machen, aber unsere Gier bleibt die gleiche. Genügsamkeit wird einer der Schlüssel sein, um die Klimakatastrophe zu bremsen. Wird es uns gelingen, dieses für den Menschen unnatürliche Prinzip durchzusetzen?“
Endlich Verantwortung übernehmen
Besonders bei der Unterstützung für vom Klimawandel besonders betroffene Länder erhofft sich Irish Examiner einen Durchbruch:
„Es ist unglaublich, dass gefährdete Länder für Finanzmittel und Unterstützung kämpfen müssen, während große Volkswirtschaften das Problem verschärfen. ... Wissenschaftliche Experten sagen, dass dem Thema Verluste und Schäden bei COP27 eine zentrale Rolle zukommen muss. Wenn sich die diesbezüglichen Hoffnungen auf eine Einigung erfüllen, wäre das ein großes Vermächtnis des Treffens in Ägypten. ... [Andernfalls] wäre es ein schwerer Schlag für Ambitionen im Kampf gegen den Klimawandel, Ausdruck kolossalen Versagens bei der Übernahme von Verantwortung und Munition für Neinsager, die in COP-Veranstaltungen kaum mehr als eine Quasselrunde sehen.“
Nicht auf Schadensbegrenzung konzentrieren
Nur über Zahlungen in Richtung Süden zu diskutieren hieße, wichtigere Ziele aufzugeben, warnt La Vanguardia:
„Es reicht nicht aus, die alten Verpflichtungen auf der COP27 zu erneuern, sondern sie müssen ehrgeiziger formuliert werden. ... Aber angesichts der Tatsache, dass die Abkommen zur Emissionsreduzierung nicht eingehalten werden, könnte es noch schlimmer kommen. ... Das schlimmste Szenario auf der COP27 wäre, dass das Risiko zunehmender Klimakatastrophen als unvermeidlich angesehen wird und dass sich die Diskussionen auf der Konferenz hauptsächlich auf Forderungen nach Hilfe für die Länder konzentrieren, die von den Auswirkungen der globalen Erwärmung am stärksten betroffen sind.“
Ausgleichszahlungen dienen auch dem Norden
Es spricht einiges gegen Schadenersatzzahlungen für arme Länder, aber man muss sie dennoch in Betracht ziehen, schreibt De Standaard:
„Der Westen fürchtet sich davor, unbeschränkt haftbar gemacht zu werden. Es geht nicht nur um sehr viel Geld. ... Es ist bisher auch unklar, an wen oder was bezahlt werden muss. Einige Entwicklungsländer sind nicht gerade Vorbilder, was tadellose Führung angeht. ... Doch muss der Westen helfen, Menschen in die Lage zu versetzen, ihr Leben wieder aufzubauen. Das dient auch dem Eigeninteresse, denn sonst droht der x-te Flüchtlingszustrom. Auch müssen die Entwicklungsländer investieren können, um sich an die Folgen der Erwärmung anzupassen.“
Afrika zum Vorreiter machen
Auf Investitionen in grüne Energien hofft der Direktor des in Nairobi sitzenden Thinktanks Power Shift Africa, Mohamed Adow, in The Independent:
„Wir haben jetzt die Möglichkeit, unsere zerstörerische Sucht nach schmutziger Energie abzuschütteln und das benötigte Geld in erneuerbare Energien auf der ganzen Welt zu investieren, einschließlich in Entwicklungsländer, die diese Investitionen am dringendsten benötigen. Afrika, der jüngste Kontinent der Welt, steht an der Schwelle zu einer durchschlagenden wirtschaftlichen Entwicklung. Aber diese Entwicklung muss von erneuerbaren Energien angetrieben werden, wenn wir den globalen Temperaturanstieg auf maximal 1,5 Grad begrenzen wollen. Afrika verfügt über all die Sonne und den Wind, den es braucht, um Vorreiter für saubere Energie zu sein.“
Eine Stimme fehlt
Dass sich der türkische Präsident Erdoğan gern als Sprachrohr des Südens inszeniert, aber nicht nach Ägypten reist, kritisiert T24:
„Der Gipfel wird als Chance des Südens gesehen, seine Stimme lauter gegen den Norden zu erheben, der seit Jahren die Welt verschmutzt und jetzt den Süden dazu drängt, sie auf keinen Fall zu verschmutzen. ... Das G20-Mitglied Türkei, das den Anspruch erhebt, die Stimme der 'Armen und Entrechteten' und Vertreter des Südens im Norden zu sein, wird auf staatspräsidialer Ebene nicht am Gipfel teilnehmen. Dabei hätte der Präsident durch seine Teilnahme am Gipfel Afrika unterstützen können. Das ist genau der Ort, an dem er seine fünf Finger hätte zeigen können, um zu sagen, dass die Welt nicht nur aus fünf Staaten besteht.“
Der Austragungsort ist ein schlechtes Omen
Dass Demonstrierenden während der COP27 kaum ein Podium gegeben wird, findet Új Szó unakzeptabel:
„Nonprofit-Umweltgruppen, Klimaaktivisten, NGOs und die Zivilgesellschaft im Allgemeinen sind unerlässliche Akteure bei der Klimawende. Und gerade diesen Akteuren wurde die Teilnahme extrem und bewusst erschwert. Warum? Weil der ägyptische Staat mit dem Präsidenten und Diktatoren Abdel Fattah al-Sisi an der Spitze keine Kritik hören will, schon gar nicht aus der eigenen Zivilgesellschaft. ... Derzeit befinden sich etwa 60.000 ägyptische politische Gefangene hinter Gittern. Unter ihnen sind neben Menschenrechtsaktivisten auch viele Klimaaktivisten. ... Klimagerechtigkeit und Menschenrechte gehen Hand in Hand.“
Es geht voran
Die diesjährigen Rekorde bei Hitze, Monsun und Gletscherschmelze werden der Konferenz Impulse geben, glaubt Les Echos:
„Das Jahr 2022 beweist denen, die noch daran zweifelten, dass die 'Klimakatastrophe' nicht mehr nur an die Tür der COP klopft. ... Sie ist ins Haus gekommen. … Das Eindringen des Desasters ins reale Leben dürfte genügen, um Willen in Handeln und Ziele in Ergebnisse zu verwandeln, was die COP-Gipfel seit dem Pariser Abkommen von 2015 nicht ausreichend geschafft haben. … Im Gegensatz zu Greta Thunberg sollte man der Versuchung widerstehen, den Uno-Prozess zu verteufeln. Ja, er kommt zu langsam voran, aber er kommt doch voran, wie die seit über zehn Jahren erwartete Freigabe von 100 Milliarden Dollar für Klimaschutz in den am wenigsten entwickelten Ländern belegen dürfte.“
Verursacher zur Kasse bitten
Der globale Süden leidet überproportional unter der Klimakrise, kritisiert Jasmin Duregger, Klima- und Energieexpertin von Greenpeace Österreich, in einem Gastkommentar für die Kleine Zeitung:
„Pakistan etwa ist gerade einmal für 0,3 Prozent der globalen klimaschädlichen Treibhausgase verantwortlich. Auf das Konto der USA und der EU ist hingegen fast die Hälfte aller Emissionen seit dem vorindustriellen Zeitalter zurückzuführen. Umso mehr braucht es jetzt einen eigenen Finanztopf, aus dem die durch die Klimakrise verursachten Verluste und Schäden bezahlt werden. Für die Finanzierung müssen vor allem jene Länder zur Kassa gebeten werden, die ungebremst die letzten Jahrzehnte klimaschädliche Treibhausgase in die Luft geblasen haben.“
Überflüssige Inszenierung
Das Treffen könnte dem Klima mehr schaden als nützen, befürchtet Le Soir:
„Ist es angesichts der Verbreitung virtueller Treffen im Zuge der Pandemie nicht erstaunlich, dass die Umweltschützer sich verpflichtet glauben, zu Tausenden per Flugzeug anreisen zu müssen, um sich in Kongressräumen und Hotels zu versammeln, wo die Klimaanlagen voll aufgedreht werden? ... Und das Ganze unter dem 'Schutz' Tausender Polizisten. Diese ganze Inszenierung à la Hollywood, um unseren armen Planeten zu schützen! … Man kann sich schon fragen, warum ein weiterer COP-Gipfel organisiert wird, wo doch die bei den bisherigen Treffen beschlossenen Entscheidungen weitestgehend unbeachtet geblieben sind.“
Nicht länger vage bleiben
Irland muss sich endlich konsequent dem Klimaschutz verschreiben, fordert Irish Independent:
„Irland gehört zu den wenigen Ländern, die es wiederholt versäumt haben, der EU-Kommission eine Langzeitstrategie für den Klimaschutz vorzulegen. ... Zu einer solchen Strategie würden Details zu erwarteten Emissionssenkungen in allen Bereichen auf Grundlage eines nationalen Plans gehören. Das ist schon zweieinhalb Jahre überfällig. Es darf keine Ausflüchte mehr geben - entweder wir nehmen das Problem ernst, oder wir bleiben Teil davon. ... Putins Bemühungen, seine Petro-Diktatur zu nutzen, um westliche Demokratien im Energiebereich zu erpressen, haben endlich zu verstärkten Bemühungen für eine Zukunft mit grüneren Energien geführt. Wir tragen die große Verantwortung, mitzuziehen.“
Wir verlieren den wichtigsten Krieg
Erfolgreiche Klimapolitik klappt nur mit Russland und China, schreibt El País:
„Wir können in der Ukraine einen Stellvertreterkrieg gegen Russland führen. Oder Handelssanktionen gegen China verhängen. ... Oder den Klimawandel bekämpfen. Wir können einen dieser Kriege gewinnen, aber nicht alle drei. ... Wenn der Westen Russland und China besiegt, wird er sie nicht mehr in den Kampf gegen den Klimawandel einbeziehen können. ... Die Deutschen haben Recht, wenn sie enge Beziehungen zu den Russen und den Chinesen suchen. Aber sie haben aus den falschen Gründen Recht. ... Statt private Deals zu machen, hätten sie die EU in eine Strategie einbinden müssen, die die Zusammenarbeit von der Klimaschutzagenda abhängig macht.“