Schärfere Migrationspolitik der EU: Richtiger Weg?
Beim EU-Gipfel haben sich die Regierungen darauf geeinigt, die Außengrenzen der EU stärker zu überwachen und Abschiebungen zu beschleunigen. Unter anderem sollen in einem Pilotprojekt EU-Mittel in die Infrastruktur zur Sicherung der bulgarisch-türkischen Grenze fließen. Wie kontrovers das Thema ist, zeigt der Blick in die Kommentarspalten.
Ersehnte Kurskorrektur
Endlich scheint sich der Wind in Brüssel zu drehen, freut sich Le Figaro:
„Die Vorkehrungen sollen von festen und mobilen Zäunen über Überwachungsfahrzeuge bis hin zu Kameras und Wachtürmen reichen und rundum einer Einfassung gleichen, ohne jedoch einer Mauer zu ähneln, denn dieses Wort sorgt 30 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer für Unmut in Brüssel. … Sollte diese Politik vor Ort umgesetzt werden, dürfte dies eine Wende darstellen. Sie würde mit der Ineffizienz von Frontex sowie der Feigheit zahlreicher Mitgliedsstaaten brechen. ... Wir wurden zu oft enttäuscht, um daran zu glauben. Doch es ist nicht verboten zu hoffen.“
Das Ergebnis gefährlicher Unwissenheit
Corriere della Sera findet die Vorstöße zur schärferen Grenzsicherung kläglich:
„Der Bau von Mauern bedeutet in der Tat, dass man sein Leben innerhalb eines engen Bereiches, eines abgegrenzten Raums, eines Gefängnisses ohne Austausch mit der Außenwelt einschließt. Es bedeutet, eine insulare und miserable Sicht auf Menschen und Wissen zu kultivieren. Materielle Mauern und mentale Mauern bedingen sich gegenseitig. Sie sind das Ergebnis von gefährlicher Unwissenheit und schrecklichen Vorurteilen. ... Es tut weh zu sehen, wie die europäischen Länder ihre Vergangenheit auslöschen: Sie erinnern sich nicht mehr an ihre Migranten, die versucht haben, ihre verlorene Würde anderswo wiederzuerlangen.“
Umfassende Politik statt Mauern
Legale Wege für Einwanderung fordert De Volkskrant:
„Für Arbeitsmigranten gibt es genug Arbeit im alternden Europa, und das wissen viele jüngere Menschen im Rest der Welt. ... Wenn Migranten legal als (Saison-) Arbeiter in der EU arbeiten können, brauchen sie weder Schmuggler in Anspruch zu nehmen noch müssten sie sich als Flüchtlinge ausgeben. ... Migranten schicken Milliarden Euro zurück nach Hause und tragen damit auch zur Entwicklung ihrer Länder bei. Für diese Länder gibt es daher auch keinen Anreiz, abgewiesene Asylsuchende zurückzunehmen, es sei denn, es gäbe dafür Quoten für legale Migration. ... Die EU muss eine integrale Vision für Migration und Asyl entwickeln. Nur mit defensiven Maßnahmen erhält sie die Regie nicht zurück.“
Mit Zuckerbrot und Peitsche versuchen
Dass die EU die Herkunftsstaaten stärker in die Pflicht nehmen will, findet die Badische Zeitung grundsätzlich gut:
„Einst wollte die EU-Kommission, dass Flüchtlinge an den Außengrenzen erfasst und dann gerecht auf die Mitgliedsländer verteilt werden. Doch diesen Migrationspakt ... lehnen immer mehr Staaten ab. ... Dass die EU die Herkunftsländer stärker in die Pflicht nehmen will, ist ein nicht neues, aber vielleicht erfolgreiches Konzept. Zwar weigern sich viele Länder, Abgeschobene zurückzunehmen. Doch mit Zuckerbrot (Visabewilligungen) und Peitsche (Entzug eben jener oder Kürzung von Entwicklungshilfe) sollen sie zur Umkehr bewegt werden. Ein weiterer Versuch ist das wert.“
Keine feindliche Atmosphäre schaffen
Der irische Premier Leo Varadkar sollte aufpassen, wie er die auf dem Gipfel angekündigte härtere Einwanderungspolitik kommuniziert, warnt The Irish Times:
„Er muss aufpassen, dass seine Sprache nicht denen Rückenwind gibt, deren Ziel es ist, eine Atmosphäre zu kreieren, in der Einwanderer nicht willkommen sind, einschließlich der Asylsuchenden. ... Die Regierung versucht anscheinend, beim Thema illegale Einwanderung einen härteren Ton anzuschlagen, in der Hoffnung, dass das viele Menschen davon abhalten wird, nach Irland zu kommen. ... Aber sie bewegt sich auf einem schmalen hochsensiblen Grat zwischen der Umsetzung der bestehenden Migrationspolitik und dem Anschein, auf Anti-Einwanderungs-Proteste zu reagieren.“