Proteste in Israel: Es geht ums Ganze
Die Massenproteste gegen die geplante Justizreform in Israel gehen unvermindert weiter. Diese sieht unter anderem vor, dass das Parlament Entscheidungen des Höchsten Gerichts mit einfacher Mehrheit aufheben kann. Laut Medienberichten will die ultrarechte Regierung noch im März Teile der Reform im Schnellverfahren durchsetzen. Premier Netanjahu sprach von gezielten Falschmeldungen. Kommentatoren sehen das Land am Scheideweg.
Gefangener seiner Verbündeten
Netanjahu hat ganz Israel in eine Zwickmühle manövriert, meint Spotmedia:
„Jeden Samstag gehen die Israelis auf die Straße, die Proteste sind inzwischen historisch geworden. Nicht nur, weil sich so viele beteiligen, sondern auch, weil sich solche beteiligen, die eigentlich den Staat symbolisieren - Reservisten, frühere Geheimdienstchefs, Intellektuelle verschiedener Generationen. Bei diesen Protesten in Israel geht es um den Widerstand gegen den Versuch der Regierung Netanjahu, ein autokratisches Regimes zu errichten. ... Doch Benjamin Netanjahu scheint keinen Spielraum dafür zu haben, einen Rückzieher [bei den Justizgesetzen] zu machen, denn er ist zum Gefangenen seiner Verbündeten geworden, die auf dem Gaspedal bleiben und ohne die er nicht mehr an die Macht gekommen wäre.“
Bedrohung für Israels Existenz
Höchste Zeit, dass sich der gemäßigte Teil der israelischen Gesellschaft durchsetzt, findet Politiken:
„Viel zu lange wurden Israels liberale Kräfte durch den enormen militärischen und wirtschaftlichen Erfolg des Landes in den Schlaf gewiegt. Jetzt müssen sich die Israelis mit ihren eigenen Dämonen auseinandersetzen und vor allem die Besatzung stoppen und den Palästinensern zu ihrem eigenen Staat verhelfen. Nicht nur um der Palästinenser willen, sondern auch um ihrer selbst willen. Andernfalls gewinnen die Siedler, und Israel endet als ein weiteres undemokratisches Land im Nahen Osten mit einem starken Militär. ... Die Demonstranten haben recht. Benjamin Netanjahu und seine Regierung sind eine Bedrohung für die Existenz Israels.“
Ungarn als abschreckendes Beispiel
Népszava sieht einen Zusammenhang zwischen der Lage der Demokratie in Israel und in Ungarn:
„Wir, Ungarn, spielen eine wesentliche und unrühmliche Rolle dabei, dass sich die Proteste in Israel zu einem 'nationalen Widerstand' entwickelt haben. ... Bei den Massendemonstrationen ist das Foto von Premier Viktor Orbán mit seinen Freunden Putin, Erdoğan und Netanjahu ein wiederkehrendes Motiv ... Den israelischen Demonstranten ist bewusst, dass das heutige Ungarn, das als abschreckendes Beispiel gilt, Schritt für Schritt aufgebaut wurde - unter anderem infolge der Passivität der ungarischen Gesellschaft. Israels Rebellen wollen das vermeiden.“