Militärübung verlängert: Was hat China mit Taiwan vor?
Offiziell ist das Militärmanöver Chinas rund um Taiwan seit dem 11. April beendet. Trotzdem hält China nach Angaben des taiwanischen Verteidigungsministeriums in Taipeh weiterhin Übungen mit 9 Schiffen und 26 Flugzeugen ab. Die Volksrepublik betrachtet das seit 70 Jahren unabhängige Taiwan als Teil ihres Territoriums. Droht nun eine Blockade oder gar Invasion? Europas Presse ist uneins.
Option eines Krieges nicht mehr ausgeschlossen
China könnte versuchen, Taiwan abzuriegeln, befürchtet Corriere della Sera:
„Mit Xi steigt die Spannung. Sein China ist zunehmend nationalistischer, es will die dominierende Supermacht in Asien werden und scheint nun über die Mittel zu verfügen, eben diese Ambitionen zu verwirklichen. Die Option eines Krieges ist nicht mehr ausgeschlossen. … Eine Variante, die Xi dabei offen hält, beinhaltet den Einsatz von Streitkräften, aber ohne den Bodeneinsatz von Truppen. Es handelt sich vielmehr um eine längere Luft- und Seeblockade, die ein wirtschaftliche Strangulierung zur Folge hätte, um die Kapitulation Taiwans zu erreichen, ohne einen casus belli für eine amerikanische Intervention zu schaffen.“
Der übliche Theaterdonner
Die unmittelbare Bedrohung für Taiwan sollte aus Sicht von The Independent nicht überschätzt werden:
„Die Einkreisungsübung ist Teil eines Reaktionsmusters, das immer dann aktiviert wird, wenn die USA aus chinesischer Sicht eine diplomatische Ungeheuerlichkeit begangen haben. In diesem Fall war es der Empfang der Präsidentin von Taiwan Tsai Ing-Wen durch den Sprecher des US-Repräsentantenhauses Kevin McCarthy letzte Woche in Kalifornien. ... China weiß auch, dass - trotz all seiner militärischen Ressourcen - eine Invasion Taiwans logistisch schwierig wäre, weil die Verteidigung der Insel mit einer rund 300.000 Mann starken, gut ausgerüsteten Truppe und drei Millionen zivilen Kämpfern beachtlich ist. “
Schwere Produktionskrise möglich
Ein Kollaps der Mikrochip-Produktion als Folge des China-Taiwan-Konflikts hätte schlimmere Auswirkungen auf die Welt als Covid-19, warnt Dnevnik:
„Sollte die Mikrochip-Produktionskapazität Taiwans blockiert werden, würde es ein halbes Jahrzehnt dauern, bis eine gleichwertige geschaffen werden könnte. Die Unterbrechung dieser Produktion würde eine globale wirtschaftliche und politische Krise verursachen, die um ein Vielfaches größer wäre als die durch Covid-19 verursachte. In der Praxis würde dies wirtschaftliche Prozesse in einem Ausmaß betreffen, das aus heutiger Sicht schwer analytisch zu erfassen und zu berechnen ist.“
Europas Dilemma
China würde laut Postimees in der Taiwan-Frage davon profitieren, wenn Europa und die USA sich voneinander entfernten - was wegen der Ukraine aber nicht geht:
„Europa kann nicht zulassen, dass sich seine Beziehungen zu China so weit verschlechtern, dass Letzteres ein klares strategisches Interesse an der Unterstützung Russlands in seinem Krieg mit der Ukraine hat. Ebenso wenig kann Europa Amerika bei der Verteidigung Taiwans allein lassen, was China ermutigen und die Kräfte der USA binden könnte, sodass diese nicht mehr über ausreichend Ressourcen und Aufmerksamkeit für die Ukraine verfügen. Dieses Dilemma macht die unbequeme Wahrheit hinter Macrons vielleicht unbedachten Worten deutlich: Europa fehlt es an strategischer Autonomie.“