Bulgarien: EU-Kommissarin als Premierministerin?
Der ehemalige Premier Bojko Borissow hatte mit seiner Gerb-Partei die jüngste Wahl in Bulgarien knapp gewonnen. Nun hat er EU-Kommissarin Mariya Gabriel als Kandidatin für das Amt der Premierministerin nominiert. Kommentatoren goutieren die Personalie und sehen überwiegend gute Chancen, dass es auf diesem Weg endlich wieder zu einer stabilen Regierung kommen könnte.
Diesmal könnte es langfristig klappen
Eine rundum solide Kandidatur sieht der bulgarische Dienst der Deutschen Welle:
„Gabriel ist eine gute und intelligente Verwalterin, gleichzeitig ein politisches Produkt der Gerb-Partei und loyal gegenüber Borissow. Vor allem aber ist sie eine für Brüssel akzeptable Kandidatin, die versuchen wird, das offene Misstrauen einiger europäischer Spitzenpolitiker gegenüber Borissow zu übertünchen. ... Sollte sich die 'Läuterung' von Akteuren wie Borissow und Deljan Peewski [der Korruption verdächtigter Politiker des möglichen Koalitionspartners DPS] diesmal als echt erweisen, wird die ganze Nation gewinnen. Sollte die Regierung Gabriel ein Versuch dieser Akteure sein, sich würdevoll aus der bulgarischen Politik zurückzuziehen, könnte sie sich als echte Überraschung erweisen.“
Kluger Schachzug von Borissow
Mit dieser Nominierung hat Borissow der Opposition, dem Parteibündnis PP-DB unter Ex-Premier Kiril Petkow den Wind aus den Segeln genommen, meint Kolumnist Jawor Datschkow in Trud:
„Sie haben kein einziges Argument gegen sie, weil sie alles verkörpert, wofür sie kämpfen. ... Gleichzeitig wird sie als eine von Bojko Borissow eingesetzte Premierministerin fungieren, der durch sie an die Spitze des Staates zurückkehren wird. ... Wir sollten nicht vergessen, dass niemand im Parlament an Neuwahlen interessiert ist, schon gar nicht das Volk. Es wäre töricht, im September erneut Wahlen abzuhalten und dann im November Kommunalwahlen. Meine Vorhersage ist, dass es jetzt eine Regierung geben wird.“
Ein womöglich kurzlebiger Posten
Das Amt der Premierministerin ist für Gabriel nicht gerade attraktiv, schreibt RFI România:
„Sie würde es schwer haben, bei den anderen parlamentarischen Parteien Unterstützung dafür zu finden, eine Mehrheit zu bilden. Borissow hat den Parteien, die die Regierung mitbilden würden, 20 Ministerposten versprochen. … Wenn man die früheren Misserfolge betrachtet, die zu fünf Neuwahlen in Folge geführt haben, scheint kein Opfer zu groß zu sein. Denn andernfalls würde die Bulgaren im Juli die nächste Wahl erwarten. … Wie das Portal Euractiv berichtet, heißt es in Brüssel, dass Mariya Gabriel einen großen Fehler begehen würde, wenn sie die EU-Kommission verließe - für einen möglichen Posten als Regierungschefin, der sich als kurzlebig erweisen könnte. “