Skandal um 'Heime des Grauens' erschüttert Rumänien
Die rumänischen Behörden haben über 1.000 Altenheime kontrolliert, nachdem die Bewohner von drei Einrichtungen nachgewiesenermaßen schwer misshandelt, ausgehungert und ausgebeutet worden waren. Fast 40 wurden ganz oder vorläufig geschlossen, Verantwortliche festgenommen, Arbeitsminister Marius Budăi, dem die Sozialdienste unterstellt sind, trat zurück. Wie konnte es zu diesen Zuständen kommen und was sind die Folgen?
Verheerend auf allen Ebenen
Ältere Menschen haben nur schlechte Optionen, beklagt der Chef des Arbeitgeberverbandes Concordia, Radu Burnete, bei republica.ro:
„Was glauben Sie, wie sich eine ältere Person fühlt, die in ein Altenheim muss, nachdem sie im Fernsehen gesehen hat, welch Schindluder man mit den Menschen getrieben hat? Welche Schuldgefühle müssen alle jene Familien fühlen, die keine andere Wahl haben, als ihre Angehörigen im Altenheim unterzubringen? Und wie viel unnötiges Leid für all jene, die eigentlich in eine solche Einrichtung müssten, sich jetzt aber aus Angst erst gar nicht anmelden? Zehntausende, die sich nicht mehr selbst versorgen und von der Familie nicht mehr versorgt werden können, werden sich wegen dieser Vorfälle weigern, in ein Pflegeheim zu gehen. Sie werden im Elend sterben, aus Angst davor, in einem Keller eingesperrt zu werden [wie in den 'Heimen des Grauens'].“
Grundversorgung nicht dem freien Markt überlassen
Grund für die verheerenden Zustände ist auch, dass der Staat nicht genügend Mittel zur Verfügung stellt, heißt es bei Libertatea:
„ Ältere Menschen, die unheilbar krank sind, zu pflegen, ist eine höllisch schwere und hochqualifizierte Arbeit, die gut bezahlt werden sollte. … Doch mit den Geldern, die der Staat dafür bereitstellt, zieht man nur die schrecklichsten Exemplare unter uns an. Ausgerechnet sie sollen die Verletzlichsten versorgen. ... Es gab auch Kinderbetreuungseinrichtungen, die für Nachschub für Prostitutionsnetzwerke sorgten. Und Fälle, in denen Caterer Schulkinder mit verdorbenen Lebensmitteln versorgten. All das passiert eben, wenn man die Grundversorgung dem freien Markt überlässt. Das ist purer Neoliberalismus, mit Austerität gepaart.“
Ein Déjà-vu aus ganz dunklen Zeiten
Der Rumänische Dienst der Deutschen Welle zieht Vergleiche zur Ceaușescu-Zeit:
„Was sich in den 'Heimen des Grauens', wie die Presse sie nennt, abgespielt hat, erinnert an die Waisenhäuser im Ceaușescu-Regime, in denen über 100.000 Kinder ausgehungert, an Betten gefesselt, in Lumpen gekleidet, voller Läuse waren und zum Waschen mit kaltem Wasser abgespritzt wurden. So sah damals das erste Bild Rumäniens nach dem Ende des Kommunismus aus, das die internationale Presse dem Westen übermittelte. 33 Jahre später bietet sich der rumänischen Gesellschaft und der internationalen Öffentlichkeit immer noch das gleiche Bild des Grauens, diesmal in drei privaten Altenheimen im Kreis Ilfov.“
Niemand wollte das Unrecht sehen
Ohne das Schweigen der Nachbarn wäre der Skandal viel früher aufgeflogen, meint Spotmedia:
„Abgesehen von der Ungeheuerlichkeit der Täter zeigt dieser Fall noch andere schreckliche Dimensionen unserer Gesellschaft auf. An den Heimen sind täglich Leute aus der Ortschaft vorbeigegangen, die Gebäude haben Nachbarn, sie stehen nicht mitten im Wald oder auf dem Feld. Einige der Nachbarn erzählten jetzt vor laufender Kamera, wie sie alte Menschen an den Toren sahen, die um eine Scheibe Brot bettelten, verschmutzt waren, einige nackt, sogar inmitten des Winters. Das Grauen geschah vor aller Augen, nicht nur hinter den Türen. Doch wie viele der Augenzeugen haben die Polizei gerufen?“