Nach Slowakeiwahl: Bröckelt Ukraine-Unterstützung?
Ex-Premier Robert Fico ist klarer Sieger der Parlamentswahl in der Slowakei: Seine linksnationale Partei Smer gewann rund 23 Prozent der Stimmen, gefolgt von der liberalen Progresívne Slovensko mit 18 Prozent. Zur Regierungsbildung bräuchte Smer wohl mindestens die Stimmen der drittplatzierten Hlas, die allerdings Ficos angekündigte Verweigerung militärischer Unterstützung für die Ukraine nicht mitträgt.
Prorussische Rhetorik wirkt wie lähmendes Gift
Die Slowakei und Ungarn können zusammen die westliche Einheitsfront gegenüber Russland schwächen, befürchtet die Neue Zürcher Zeitung:
„Politiker wie Fico und Orban reden den Menschen ein, es werde wieder alles wie früher, wenn der Westen nur mehr Rücksicht nehme auf Russland. ... Als Weg des geringsten Widerstands könnte diese Taktik ... Schule machen in Europa. Das ist die ernüchternde Lehre der slowakischen Wahl für Europa. Gefährlich ist die Janusköpfigkeit dieser Politik allemal: Die prorussische Rhetorik wirkt wie Gift auf die westliche Einheitsfront, und sie macht Hilfe für die Ukraine immer schwieriger vertretbar, je länger sich der Konflikt hinzieht.“
Noch ist Fico nicht Premier
Der künftige Kurs der Slowakei ist noch nicht entschieden, schreibt das in Prag erscheinende deutschsprachige Landesecho mit Blick auf die komplizierte Regierungsbildung:
„Fico stehen schwere Koalitionsverhandlungen bevor, Präsidentin Zuzana Čaputová erteilte ihm den Auftrag zur Regierungsbildung. Diese führt nicht an der drittplatzierten Partei Hlas vorbei, einer sozialdemokratischen Abspaltung von Ficos Partei. Hlas will die Ukraine bis zur letzten Patrone unterstützen. Und auch sonst gibt es zahlreiche Hürden, die einer Zusammenarbeit im Weg stehen. Die Koalitionsverhandlungen können also noch scheitern oder Ficos Pläne für die Slowakei zumindest entschärfen. Die Rückkehr des Mafiastaates ist also noch nicht entschieden, das letzte Wort noch nicht gesprochen.“
Effektive Opposition verhindert Schlimmeres
Die vor den Wahlen geäußerten Sorgen, die Slowakei könnte in Richtung Orbán und Kaczyński abdriften, dürften sich nach Meinung von Lidové noviny nicht bewahrheiten:
„Fidesz und PiS erzielten in ihren Ländern einen außerordentlichen Status. Der Verlust der starken Position der Opposition und damit die mangelnde parlamentarische Kontrolle führten nach und nach zu einer Reihe von Exzessen. In Ungarn geht es vor allem darum, das Wahlgesetz zugunsten des Fidesz zu ändern. ... In der Slowakei passierte am Wochenende nichts Vergleichbares. Wenn Ficos Smer regiert, wird sie eine starke Kontrolle in der Regierung und im Parlament haben, was eine wichtige Voraussetzung für jedes demokratische Regime ist.“
EU so stark und geeint wie selten
Die Kohäsionskräfte der EU werden ein radikales Abdriften verhindern, ist Politiken ebenso optimistisch:
„Ist Ficos Wahlsieg ein Zeichen dafür, dass es damals ein Fehler war, die Slowakei in die EU aufzunehmen? Nein, natürlich nicht. Eher das Gegenteil. Denn wie lief es, als Fico das letzte Mal an der Macht war? Dort zeigte er sich in seiner EU-Politik weitaus gemäßigter als zuvor im Wahlkampf. Man kann damit rechnen, dass es wieder so läuft. Die EU steht so stark und geeint da wie seit vielen Jahren nicht. Der Krieg in der Ukraine hat – genau entgegen Putins Hoffnungen – die europäische Gemeinschaft neu belebt. Die Stärke der EU liegt gerade darin, dass die Mitgliedschaft und ihre lukrativen Markt- und Förderprogramme eine moderierende Kraft sind.“
Auf pragmatische Politik hoffen
Der Wahlgewinner wird weitere westliche Unterstützung für Kyjiw wohl vorerst nicht blockieren, glaubt The Irish Times:
„Als Fico in der Vergangenheit an der Macht war, erwies er sich als pragmatischer und verständnisvoller gegenüber seinen EU-Kollegen, als es seine Wahlkampfrhetorik befürchten lässt. Er wird sich sicherlich der Notwendigkeit bewusst sein müssen, dringend benötigte EU-Mittel für die verschuldete Wirtschaft seines Landes weiterhin zu erhalten. Sein Wahlkampfslogan 'Keine einzige Patrone' für Kyjiw kam, nachdem die Slowakei - bisher ein überzeugter Unterstützer der Ukraine - bereits die meisten entbehrlichen Waffen an Kyjiw geliefert hatte.“
Zwei Zweiertische für Visegrád-Treffen
Eine schlechte Nachricht ist das Wahlergebnis für die Ukraine, fürchtet Seznam Zprávy:
„An der Westgrenze des vom Krieg zerrütteten Landes kommt eine Regierung an die Macht, von der man statt prinzipientreuer demokratischer Positionen bestenfalls unmoralische Manöver, schlimmstenfalls noch unmoralischere prorussische Beschwichtigungspolitik erwarten kann. Dass der internationale Einfluss der Slowakei nicht so groß ist, dass es nun automatisch zu einer Schwächung des westlichen Bündnis kommen muss, ist ein schwacher Trost. Was die Ukraine betrifft, wird sich die Rhetorik von Premier Fico wahrscheinlich nicht so sehr von der von Viktor Orbán unterscheiden. Tschechische Republik, Polen – Ungarn, Slowakei. Machen Sie für das Treffen der Visegrád-Vier schon mal zwei Zweiertische klar.“
Unterstützung für Kyjiw könnte wackeln
Der Wahlsieg von Fico vergrößert die Sorgen der EU, analysiert NRC:
„Fico hatte in früheren Amtsperioden auch große Sprüche geklopft, sagen Analysten, zeigte sich aber dann in Brüssel pragmatisch und vermied unnötige Konfrontationen. ... Die Unterstützung von Orbán und möglicherweise anderen nationalistischen Führern könnten ihn aber jetzt ermutigen. Am 15. Oktober sind Wahlen in Polen und wenn die Regierungspartei PiS dort erneut siegt, könnte sich der populistische, antiliberale Trend in Mitteleuropa verstärken und die Rechtsstaatlichkeit in der Region weiter untergraben. Das kann gravierende Folgen haben für die gemeinsame Außenpolitik der Europäischen Union in Hinblick auf die Ukraine und die Unterstützung für Kyjiw schwächen.“
Spaltung überwinden und Herausforderungen anpacken
Die zerstrittene Slowakei braucht vor allem den Dialog, appelliert Pravda:
„Die vielleicht wichtigste Aufgabe der neuen Regierung wird darin bestehen, Brücken zu bauen und eine gespaltene Gesellschaft zu versöhnen. ... Die Slowakei steht vor schwierigen Zeiten und großen Herausforderungen. Die ungünstige wirtschaftliche Lage, die anhaltende russische Aggression, die grüne Transformation, der Übergang vom europäischen Montagewerk zum Innovations-Tiger, eine unzureichend funktionierende Demokratie. ... All dies ist nur die Spitze des Eisbergs der Herausforderungen, die wir gemeinsam bewältigen müssen. Ohne Dialog, Verständnis und Zusammenarbeit werden wir jedoch nicht weit kommen.“
Keine große Überraschung
Auch nach diesen Wahlen wird die Slowakei kaum zu einem zweiten Ungarn werden, ist sich der Politologe Taras Sagorodnij auf seiner Facebook-Seite sicher:
„Ich sehe, dass die Wahlen in der Slowakei für die meisten Menschen eine große Überraschung waren. Aber eigentlich ist nichts Außergewöhnliches passiert. Der Einfluss Russlands auf dieses Land war bereits ziemlich groß. Gazprom zum Beispiel kontrolliert seit den 1990er Jahren das lokale Gastransportsystem. Viele amtierende slowakische Politiker sind Absolventen Moskauer Universitäten. Angesichts der Tatsache, dass das Land klein ist, reicht das aus. Als die Slowakei der Ukraine nach dem 24. Februar aktiv half, war das eine Ausnahme, nicht die Regel.“
Chamäleon ohne Skrupel
Népszava ist nicht sicher, dass Fico seine Versprechen einhalten will:
„Das Geheimnis von Ficos Erfolg liegt daran, dass er ein Chamäleon ist und keine Skrupel hat. Jahrelang hat er immer Dinge versprochen, die [von Wählern] gewünscht wurden, die aber keine große Partei auf sich nehmen wollte: Impfgegnerschaft während Pandemie, eine 'ungarische' Lösung für die Migrationswelle, eine Grenzsperre, 'Frieden' angesichts des Krieges. ... Es ist aber fraglich, ob Fico all das, was er versprochen hat, auch umsetzen will.“