Wahlen: Die Schweiz rückt weiter nach rechts
In der Schweiz hat die nationalkonservative Schweizerische Volkspartei (SVP) ihre Vormachtstellung ausgebaut und im Nationalrat neun Sitze hinzugewonnen. Die größten Verluste verbuchten die Grünen und Grünliberalen, die zusammen elf Sitze verloren. Die SVP hatte auf Warnungen vor Migration als großes Wahlkampfthema gesetzt. In der Schweiz regieren die langfristig wählerstärksten Parteien seit 1959 gemeinsam.
Man igelt sich ein
Die Wahlsiegerin hat auf all die derzeitigen Umbrüche vor allem eine Antwort, stellt die Schweiz-Korrespondentin der Süddeutschen Zeitung, Isabel Pfaff, fest:
„[M]ehr Abschottung. Nicht nur gegenüber Zuwanderern, sondern auch gegenüber der EU. Seit Kriegsbeginn in der Ukraine ist auch klar, dass die SVP die international ziemlich umstrittene Schweizer Neutralität am liebsten in ihrer striktesten Form in die Verfassung schreiben würde. Dass das Land dank seiner geografischen Lage faktisch von der Nato beschützt wird? Juckt offenbar wenige im Land. ... Die Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer ... haben für eine Art Scheuklappen-Politik votiert: einfach Augen zu und weitermachen. Es ist nur fraglich, wie lange das noch funktionieren wird.“
Umweltschützer haben den Bogen überspannt
La Tribune de Genève findet eine Erklärung für die Schlappe der Grünen:
„Seit ihrem Einzug unter die Kuppel wollte die neue Generation der Grünen rebellisch werden. Debatte über Pestizide, Steuer auf Flugtickets, Straßenbauprojekte, Fleischkonsum – die Grünen verhielten sich nicht gerade zimperlich. … Die Umweltschützer haben vergessen, dass ihr Erfolg auch all den gemäßigten Wählern zu verdanken ist, die ihnen eine Stimme für das Klima geben wollten. Eine Wählerschaft, die realistische Lösungen wünscht, aber den Klimaaktivismus nicht erträgt, den sich die Partei weigert anzuprangern, oder der Gender-Fragen schnuppe sind, die die Grünen verkörpern wollen. Das Scheitern der Grünen ist das einer Partei, die sich noch nicht zwischen Aktivismus und Pragmatismus entschieden hat.“
Bemerkenswert stabil
Die Schweiz zeigt wieder einmal ihre Solidität, freut sich Corriere del Ticino:
„Die Wahlergebnisse haben die Umfragen bestätigt, die nach der grünen Welle vor vier Jahren eine Verschiebung des politischen Rahmens nach rechts zum Nachteil der Öko-Parteien anzeigten. ... Unspektakulär verglichen mit dem unerwarteten Ergebnis von 2019, aber es bestätigt die Tendenz zur Stabilität des politischen Systems der Schweiz, das in der Lage ist, sein Gleichgewicht nach einer außerordentlich schwierigen Legislaturperiode wiederzufinden, die geprägt war von einer Pandemie, dem Ausbruch eines Krieges zwischen Staaten in Europa und einer schweren Bankenkrise, die dank einer entschlossenen staatlichen Intervention überwunden werden konnte.“