Spanien: Amnestie für Separatisten?
Die Koalitionsverhandlungen zwischen der sozialistischen PSOE des geschäftsführenden Premiers Pedro Sánchez und den katalanischen Unabhängigkeitsparteien ERC und Junts scheinen auf der Zielgeraden: Übers Wochenende einigten sie sich offenbar auf ein Amnestiegesetz und einen Schuldenerlass für Katalonien. Das Linksbündnis Sumar ist bereits mit im Boot. Kommentatoren streiten vor allem über die Amnestie.
Eine gute Grundlage für die Zukunft
La Vanguardia freut sich:
„Das Amnestiegesetz, das sicherlich am Montag im Kongress eingebracht wird, und der Inhalt des Paktes zwischen PSOE und Junts sind eine gute Grundlage, um die Vergangenheit zu vergessen und eine Zukunft in gegenseitigem Respekt aufzubauen. Die Verfassung wird durch das Abkommen gestärkt, gleichzeitig geben die Unabhängigkeitsbefürworter ihren Wunsch nach Unabhängigkeit nicht auf. Wenn jemand einen besseren Vorschlag hat, soll er sich melden. Die schwerwiegenden Probleme, die am vergangenen Donnerstag eine Einigung verhindert haben, scheinen am Samstag gelöst worden zu sein. ... So könnte also schon nächste Woche die Amtseinführung stattfinden.“
Erheblicher Schaden für den Rechtsstaat
Die Verfassungsrechtlerin Ana Carmona Contreras kritisiert in El País das geplante Amnestiegesetz:
„Eine solche Operation müsste nicht nur politisch, sondern auch gesellschaftlich auf Zustimmung stoßen. ... Nur so wäre das angestrebte Ziel - das Überleben der Verfassung und die Lösung eines Konflikts - legitimiert. ... Dies ist heute nicht gegeben. Ein wesentlicher Stolperstein ist zudem die mangelnde Bereitschaft der Unabhängigkeitsbewegung, den Verfassungsrahmen für ihre Forderungen zu akzeptieren. ... Auch wenn ein solches Gesetz verabschiedet würde, hätte es nur die Mehrheit, die Pedro Sánchez unterstützt. ... Das würde dem Rechtsstaat erheblichen Schaden zufügen und das durch die Verfassung garantierte demokratische System stark untergraben.“
Kehrtwende spaltet das Land
Sánchez spielt ein gefährliches Spiel, bemerkt der Spanien-Korrespondent der Süddeutschen Zeitung, Patrick Illinger:
„[M]ehr noch als das Geld und den Straferlass kostet es Sánchez: Vertrauen. Vor der Wahl im Juli war er ein erklärter Gegner einer Amnestie für Carles Puigdemont und seine Mitstreiter gewesen. Nun spaltet seine Kehrtwende das Land auf bedenkliche Weise. Von Korruption sprechen konservative Medien, einen 'Staatsstreich' nennen es politische Gegner. Die Justiz kündigt Widerstand an. ... [Z]weifellos muss die Katalonienfrage geklärt werden, aber weder durch eine einseitige Unabhängigkeitserklärung wie 2017, noch durch einen Kuhhandel, wie ihn Sánchez nun eingeht.“