Frankreich: Justiz stoppt Einwanderungsgesetz
Der französische Conseil Constitutionnel hat mehr als ein Drittel des neuen Einwanderungsgesetzes für verfassungswidrig erklärt - vor allem Paragrafen, die von den konservativen Les Républicains hinzugefügt worden waren: Drei Artikel, darunter die geplanten Einwanderungsquoten, wurden inhaltlich beanstandet, 32 weitere wegen unzureichenden Bezugs zum ursprünglichen Entwurf.
Sieg für Macron - oder doch nicht?
Im Elysée sollte man sich nicht zu früh freuen, findet La Vanguardia:
„Dieses Urteil wurde von Präsident Macron erwartet. Er selbst hatte den Text vor das Verfassungsgericht gebracht. ... Die Regierung fühlte sich am Donnerstag zwar als Siegerin, aber Macron steht trotzdem nicht gut da: Er wusste, dass der verabschiedete Text verfassungswidrige Punkte enthält, und hat ihn trotzdem verabschiedet. ... Die Gerichtsentscheidung kommt zu einem wichtigen und heiklen Zeitpunkt in Frankreich. ... Die soziale Unzufriedenheit ist hoch. ... Das Urteil zum Einwanderungsgesetz hat einen legislativen Pfusch offenbart, der [bei der Europawahl] im Juni seinen Tribut fordern könnte.“
Verfassungsgrundsätze resoluter schützen
Der Rat hätte noch entschiedener auf die Achtung der Verfassung pochen sollen, klagt Libération:
„Wenn alles den Bach herunter geht, wenn Parlament, Premier und Präsident sich gegenseitig verstricken, dann muss es mindestens eine Institution geben, die die Dinge beim Namen nennt. Der Verfassungsrat hätte diese Institution sein sollen, die sagt, dass die verfassungsmäßige Identität Frankreichs der Grundsatz der Gleichheit ist, der untersagt, Diskriminierungen aufgrund von Herkunft, Rasse oder Religion vorzunehmen. Und der Grundsatz der Brüderlichkeit, der untersagt, Hilfsleistungen für illegal zugewanderte Ausländer zu einem Verbrechen zu machen. Kurzum, eine Institution, die sagt, dass die kassierten Passagen nicht nur blinde Passagiere, sondern Raketen gegen die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte sind.“
So verschafft man Le Pen Glaubwürdigkeit
Macrons Schachzug mit dem Verfassungsgericht spielt dem rechten Rassemblement National in die Hände, warnt De Volkskrant:
„Die Entscheidung des Conseil gab Marine Le Pen die Chance, die Richter zu beschimpfen, die den Willen 'des Volkes' ignorierten. Die Episode zeigt einmal mehr, wie schwach Macrons Position geworden ist. ... Macron ist immer weiter nach rechts gerückt, um den Vormarsch des Rassemblement National zu bremsen. ... Doch das ist eine riskante Strategie. ... So gewinnt die radikale Rechte an Legitimität und Glaubwürdigkeit. Macron wurde zweimal gewählt, um Le Pen zu verhindern. Jetzt muss er aufpassen, dass er nicht der Wegbereiter eines Le-Pen-Siegs 2027 wird.“
Desaströse Bilanz
Macrons Taktieren nutzt schließlich nur den Rechtsextremen, ärgert sich auch Le Monde:
„Ein wirres Gesetz mit potenziell geringfügigen Auswirkungen; eine nach monatelangen Kontroversen über die Lieblingsthemen der extremen Rechten beschädigte Parlamentsmehrheit; Verfassungsrichter, die die Schäden begrenzt haben, aber schließlich als Sündenböcke dastehen. Wer kann sich über eine solch dürftige Bilanz freuen, abgesehen von der Chefin des Rassemblement National, die davon träumt, 'das Volk' gegen 'die Richter' aufzubringen und die Schutzvorkehrungen der Verfassung und der EU zu sprengen, um Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit zu legalisieren, die Republik zu entstellen und das Image Frankreichs zu diskreditieren?“