Ungarn: Bekommt Orbán frischen Gegenwind?
Eine neue Partei will Viktor Orbán herausfordern. Am ungarischen Nationalfeiertag am Freitag kündigte Péter Magyar vor zehntausenden Unterstützern die Gründung einer zentristischen Partei an. Der Ex-Mann der wegen eines Begnadigungsskandals zurückgetretenen Fidesz-Politikerin Judit Varga will nach eigenen Worten die Herrschaft der Fidesz beenden und für ein "modernes, europäisches Ungarn" eintreten.
Zeitgemäß und mit guten Chancen
Péter Magyar hat das Zeug, auch im Fidesz-Lager Verunsicherung zu säen, kommentiert der bekannte Publizist Szabolcs Szerető in Magyar Hang:
„Péter Magyar hat den Regierungschef auf seinem eigenen Spielfeld besiegt, und nicht nur in Bezug auf das öffentliche Interesse; das entscheidende Element war die frische Botschaft, so wie es bei Orbán 1998 war. Was Magyar gesagt hat, enthielt wenig Neues im Vergleich zu dem, was man von der Opposition bereits gehört hat. Aber im Gegensatz zur Rede des Regierungschefs war es zeitgemäß und valid. Was daraus folgen wird, steht noch in den Sternen. ... Ich habe das Gefühl, dass in allen Lagern, auch in Orbáns eigenem, Zweifel aufgekommen sind: Gehört nach der jüngeren Vergangenheit Viktor Orbán auch die Zukunft?“
Kein echter Herausforderer
Die Opposition schart sich wieder einmal um einen vermeintlichen Star, der bei den Wählern chancenlos bleiben wird, prophezeit die regierungsnahe Mandiner:
„Es gibt nur eine Gruppe, die Péter Magyar nicht loslassen kann: ein Kern der Opposition, die über den Parteien schwebt und bereit war, an jeden bisherigen Messias zu glauben, unabhängig von der Zahl der Fehlschläge. Sie können einfach nicht akzeptieren, dass man nicht immer wieder noch einen narzisstischen Messias braucht, um Viktor Orbán abzulösen, sondern ein politisches Angebot, das fachlich einfach besser wäre als das von Viktor Orbán. ... Hätten die ungarischen Wähler ein messianisches Ein-Mann-Projekt gewollt, hätten sie eines der acht vorigen gewählt. Das haben sie nicht getan.“
Die Nase voll von Propheten
Es ist wohl das Gegenteil von Charisma, was die Menschen an Magyar schätzen, glaubt Publizist Zoltán Batka in Népszava:
„Ich wage die Behauptung, dass der unerwartete Erfolg von Péter Magyar in seinem uninteressanten, grauen Profil liegt. Ungarn ist wie eine Wohngemeinschaft, in der das Dach seit Jahren undicht ist. Doch der zuständige Vertreter ruft keinen Handwerker, sondern faselt was von Prophezeiungen über den Regen und von Visionen darüber, dass der benachbarte Wohnblock gegen ihn intrigiert. ... Die Mehrheit des Volkes hat die Nase schon lange voll und würde auf die Barrikaden gehen, damit ein grauer Sachbearbeiter kommt, der sich statt auf pathetische Prophezeiungen und Visionen einfach nur auf Dachabdichtung versteht.“