Portugal: Neue Legislaturperiode beginnt im Chaos
In Portugal hat es die liberal-konservative PSD des designierten Premiers Luís Montenegro erst im vierten Wahlgang geschafft, ihren Kandidaten als Parlamentspräsident durchzusetzen. Die bei den Wahlen erstarkte Rechtspartei Chega hatte – offenbar anders als abgesprochen – auch einen Kandidaten aufgestellt, und so musste Montenegro um die Stimmen der abgewählten Sozialisten (PS) werben. Für Kommentatoren ein Vorbote weiterer Schwierigkeiten.
Stabilität am Tropf der Sozialisten
Für Correio da Manhã hängt Portugals Handlungsfähigkeit jetzt vor allem vom sozialistischen Oppositionschef Pedro Nuno Santos ab:
„Sicher ist, dass die Wahl der zweitwichtigsten Figur des Staates die Schwierigkeiten der künftigen Exekutive beim Regieren bestätigt hat und es immer fraglicher wird, wie lange sie regieren wird. Was die Chega-Partei betrifft, so scheint die Sache gelaufen zu sein. Da Montenegro nicht zurückweichen wird, ist mit [der Unterstützung von] Chega nicht zu rechnen. Jetzt kommt es auf Pedro Nuno Santos an. Wie lange der Sozialistenführer bereit ist, mit der PSD Händchen zu halten, ist derzeit die große Frage, unabhängig davon, welches Kabinett unter Montenegro an die Macht kommt.“
Montenegro ist kein Hinterzimmerstratege
Für Expresso zeigt die Episode, dass es dem designierten Premier an politischem Geschick fehlt:
„Die Schattenspiele, die Halbworte, die versteckten Deals, die versteckte Erpressung funktionieren nur mit viel politischer Kunst. Die Technik, für die wir [Ex-Premier] António Costa wie kaum einen anderen kennen. Und die Luís Montenegro bei Weitem nicht hat. Wenn er sie nicht hat, sollte er das Spiel mit dem Feuer vermeiden. Die PSD wird Entscheidungen treffen und den Preis dafür akzeptieren müssen. Wenn sie Vereinbarungen mit Chega eingehen will, wird sie zu diesen offen stehen müssen. Wenn sie zusammen mit der PS etwas erreichen will, wird sie nicht zuerst mit Chega Deals machen können.“
Demokratische Erosion
In El País analysiert die Politologin Marina Costa Lobo:
„Das Gewicht von Chega im Parlament verändert das politische Puzzle in Portugal und könnte das gesamte demokratische System blockieren. ... Chega ist ein Produkt der demokratischen Erosion Portugals. ... Viele Wähler haben die verantwortungsvolle Haltung, die sie seit Beginn der Eurokrise stoisch aufrechterhalten haben, aus Protest gegen die politische Unfähigkeit der Systemparteien aufgegeben oder weil sie bei Chega Haltungen erkennen, die zuvor im politischen Raum Portugals nicht vertreten waren. Die Herausforderung für die traditionellen Parteien besteht darin, sich mit dieser Wählerschaft zu versöhnen.“