Korruptionsvorwürfe: Portugals Premier Costa tritt ab
In Portugal ist Premier António Costa wegen schwerer Korruptionsvorwürfe in seinem Umfeld zurückgetreten. Sein Bürochef wurde festgenommen, auch Costa selbst droht ein Verfahren. Es geht um mögliche Schmiergeldzahlungen bei großen Industrieprojekten im Bereich erneuerbarer Energien. Ob Neuwahlen ausgerufen werden, wird Präsident Marcelo Rebelo de Sousa am Donnerstag entscheiden. Kommentatoren bedauern den Skandal.
Er hat sich zum Wohle der Republik geopfert
António Costa hat richtig gehandelt, lobt Público:
„Auch wenn er von einer absoluten Mehrheit unterstützt wird und nichts auf seinem Gewissen lastet, hat Costa die prekäre Situation, in der er sich befand, richtig eingeschätzt. Ein Verbleiben im Amt wäre eine Schande für ihn und sein Amt gewesen, die unweigerlich zu einer Aushöhlung der demokratischen Institutionen geführt hätte. António Costa geht, indem er sich im Namen der Würde der Republik opfert, und er ist erleichtert, eine dritte Amtszeit hinter sich zu lassen, die ihm immer zu schwer erschien, um den Problemen des Landes gerecht zu werden.“
Dunkler Schatten auf beeindruckender Bilanz
Für The Economist ist Costas Rücktritt ein Jammer:
„Unter Costa hat sich Portugal zu einer europäischen Erfolgsgeschichte gemausert. Das starke Wirtschaftswachstum und der boomende Tourismus- und Technologiesektor haben aus einem hinterwäldlerischen Land ein Magnet für Investoren gemacht. Und auch für seine progressive Gesundheits- und Sozialpolitik gab es Lob. Der Korruptionsskandal wird wohl einen Schatten auf dieses Erbe werfen. ... Paulo Otero, Juraprofessor an der Universität Lissabon, nannte es den erschütterndsten Moment für die institutionelle Glaubwürdigkeit, seit das Land 1976 eine Demokratie wurde. ... Costas Nachfolge wird vor der schwierigen Aufgabe stehen, das öffentliche Vertrauen in die Regierung wieder aufbauen zu müssen.“
Dieses Land funktioniert
El País ist beeindruckt von den portugiesischen Institutionen:
„Obwohl es sich um einen politischen Skandal ersten Ranges handelt, ist Costas Haltung vorbildhaft: Trotz breiter parlamentarischer Unterstützung ist er zurückgetreten, weil er sich des Schadens bewusst war, den er dem Land zufügt, wenn er während des Gerichtsverfahrens im Amt bleibt. ... Ebenso beispielhaft ist die Unabhängigkeit der portugiesischen Justiz, die ihrer Arbeit ohne Rücksicht auf den Rang der Personen nachgeht, gegen die sie ermittelt. Hinzu kommt die mäßigende Rolle des Präsidenten der Republik, der alle politischen Parteien zum Staatsrat einberufen hat. ... Die Botschaft an die portugiesischen Bürger ist klar: Die Institutionen des Landes funktionieren und sie sind bereit, diese Krise zu bewältigen.“
Kein guter Zeitpunkt für eine Krise
Visão erwartet, dass Portugal unruhige Zeiten bevorstehen:
„Es ist reichlich unpassend, eine Exekutive zu verlieren, wenn zwei Kriege im Gange sind, von denen einer schlimmer als der andere ist, und gerade ein Staatshaushalt in den Ausschüssen des Parlaments diskutiert wird. Die absolute Mehrheit der Sozialisten wird sich nicht wiederholen, und Costa will weder Premier noch Parteichef werden. ... In diesem politischen Chaos wird sich alles ändern. Eigentlich sind es noch zwei Jahre bis zum Ende der Legislaturperiode, das Jahr 2024 wurde von der Regierung und dem Premier trotz allem optimistisch gesehen. Kein Szenario hat die aktuelle politische und staatliche Tragödie vorausgesehen.“