Was bewirken die Massenproteste in Budapest?
In Ungarn haben am Samstag Zehntausende Menschen gegen die Regierung von Viktor Orbán protestiert. Sie folgten einem Aufruf des Oppositionspolitikers Péter Magyar, der mit einer neuen Partei gegen Orbán antreten will. Kommentatoren debattieren die Erfolgschancen der neuen Bewegung.
Eine frische Kraft gegen die Langeweile
Péter Magyar fordert die gesamte politische Elite heraus, meint Magyar Hang:
„Wenn es vorher nicht klar gewesen wäre, hat die Demonstration alle Zweifel ausgeräumt: Péter Magyar wirft der Staatspartei und der Systemopposition gleichzeitig den Fehdehandschuh hin. ... Als gäbe es in Ungarn wieder Innenpolitik, als würde auch bei der anstehenden Wahl etwas auf dem Spiel stehen. Eine frische Kraft wühlt das stille, schale Wasser auf, mit modernen Formulierungen und einem dynamischen Auftritt, während eine hoffnungslos anachronistische, langweilige politische Elite um ihre Position fürchtet.“
Magyar muss viel Überzeugungsarbeit leisten
Bis zum Fall des Systems Orbán ist es trotz Zehntausender Demonstrierenden noch ein weiter Weg, heißt es in den Salzburger Nachrichten:
„Sie machen noch keine Mehrheit aus, und doch ist Magyar optimistisch, dass die Europawahl 'zum ersten Sargnagel' für das System Orbán werde. Um ihn politisch totzukriegen, bräuchte es mehr als einen. Das weiß Magyar. Er kennt das System und vielleicht trauen die regierungskritischen Ungarinnen und Ungarn ihm daher eher als der bisherigen Opposition zu, es zum Einsturz zu bringen. Der neue Star der Opposition muss das Vertrauen der Menschen aber in großer Zahl und über den Zentralraum Budapest hinaus gewinnen. Die Fidesz wird ihre Werkzeuge nutzen, um das zu verhindern: den gesteuerten Medienapparat, um eine Propagandawand zwischen Magyar und dem Wahlvolk aufzuziehen.“
Mehr als eine Sternschnuppe?
Die Zeit wird zeigen, ob sich Péter Magyar langfristig etablieren kann, meint Večer:
„Die Kundgebungen und Demonstrationen für das 'neue Ungarn' zeigten, dass viele Péter Magyar als neues politisches Gesicht wahrnehmen, der zu notwendigen Veränderungen in einem System führen könnte, das von Korruption und Klientelismus, der Erosion der Rechtsstaatlichkeit und Angriffen auf die Rechte anderer geprägt ist. … Viele bleiben jedoch vorsichtig, weil das Land solche Propheten, wie ihn manche nennen, bereits gesehen hat. ...Die kommenden Wochen werden zeigen, ob Péter Magyar das sorgfältig gepflegte System ankratzen kann. Ob er in der Lage ist, die aktuelle Unterstützung aufrechtzuerhalten oder ob er nur eine weitere Sternschnuppe der ungarischen politischen Szene ist.“
Spannendes Spiel steht bevor
Premier Orbán hat in der EU-Wahlkampagne nach langer Zeit endlich wieder einen ernstzunehmenden Gegner, meint Népszava:
„In den nächsten zwei Monaten wird sich herausstellen, ob Viktor Orbán auch dann Fußball spielen kann, wenn die andere Mannschaft auf dem Feld steht (und wenn die andere Mannschaft den Ball auch sehen kann und nicht am liebsten die eigenen Spieler tritt). Denn bisher hat Orbán meist auf leere Tore geschossen und er schien sich wieder auf das gleiche Spiel vorzubereiten. Diesmal könnte es zu einer anderen Spielweise kommen, zumindest vorübergehend.“