Terror in Dagestan: Wie stabil ist Russland?
In der russischen Kaukasus-Republik Dagestan haben Terroristen am Sonntag in den Großstädten Derbent und Machatschkala Kirchen, Synagogen und die Polizei angegriffen. Dabei gab es 21 Tote, 16 davon Polizisten. Die fünf Angreifer, darunter zwei Söhne und ein Neffe eines lokalen Verwaltungschefs, wurden erschossen. Gouverneur Melikow machte "ausländische Kräfte" für den Anschlag verantwortlich. Inzwischen wurde der Alarmzustand aufgehoben.
Putins Achillesferse
Der Kaukasus ist ein Problem für den Kremlchef, erörtert La Stampa:
„Er war das Sprungbrett für seinen Aufstieg, als er Tschetschenien mit Eisen und Feuer befriedete. Der Kaukasus ist eine der Säulen der neoimperialen Idee. ... In dem automatischen, fast zwanghaften Reflex, mit dem Moskau auf dschihadistische Angriffe reagiert, indem es mysteriöse ausländische Kräfte und westliche Dienste beschuldigt, liegt eine interne Propaganda, die mit dem Krieg in der Ukraine zusammenhängt, vor allem aber der Versuch, zu leugnen, dass das islamistische Problem nicht gelöst ist. ... Es wäre schlimm für Putin, zugeben zu müssen, dass sein erster Erfolg im Kaukasus auf dem Weg zum Wiederaufbau der russischen Macht eine Farce war.“
Lage für den Westen nur bedingt hilfreich
Postimees bereitet die Situation ebensoviel Genugtuung wie Sorgen:
„Es ist klar, dass islamistische Terroristen in Russland den Krieg in der Ukraine ausnutzen, wo eine große Zahl von Truppen stationiert ist, so dass dort, wo das Militär und die Ordnungskräfte für Sicherheit sorgen sollen, Gesetzlosigkeit herrscht. Der Anstieg des islamistischen Terrorismus in Russland schafft eine schwierige Situation für Estland und die westlichen Verbündeten. Einerseits ist die Schwächung Russlands und seine Unfähigkeit, auf seinem eigenen Territorium für Ordnung zu sorgen, zu begrüßen, andererseits gibt Russlands Schwäche bei der Eindämmung des islamistischen Terrorismus diesem einen positiven Impuls.“
Terroristen als Trendsetter
Der liberale Oppositionspolitiker Lew Schlosberg sieht in einem von Echo übernommenen Telegram-Post Dagestan ideologisch in der Hand der Islamisten:
„Man kann so viel man will über äußere Einflüsse reden, aber wenn der Terrorismus auf eigenem Boden keimt, ist er schon ein verwurzeltes Phänomen, das sich vegetativ vermehren kann. Der Einfluss der islamischen Fanatiker auf das öffentliche Leben Dagestans hat offenbar ein Niveau erreicht, auf dem sie sich faktisch als Macht fühlen. Man kennt sie vom Sehen. Sie werden gefürchtet. Sie werden nicht bekämpft. Fanatiker und Terroristen sind zu den Trendsettern der politischen und kulturellen Mode geworden. Sie haben den Wettbewerb mit den Behörden um die Köpfe der jungen Menschen vollständig gewonnen.“