Ungarns Geburtenrate sinkt wieder – was nun?

In Ungarn ist die Geburtenrate seit einem Zwischenhoch 2022 wieder deutlich rückläufig: Im Mai war sie im Vergleich zum Vorjahresmonat um 11 Prozent zurückgegangen und liegt nun unter 1,5 Kinder pro Frau. Die Landespresse diskutiert, ob Orbáns Familienpolitik ihr Ziel verfehlt. Aber auch in anderen Ländern Europas fragt man sich, wie dem eigenen Bevölkerungsschwund Paroli geboten werden kann.

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Válasz Online (HU) /

Hetze gegen Kinderlose wäre fatal

Die Familienpolitik der ungarischen Regierung, die Familien mit mehreren Kindern Vorrang gibt, sei unrealistisch, aber noch korrigierbar, meint Válasz Online:

„In vielen Ländern werden viel schlimmere Szenarien umgesetzt als bei uns, wo eine [familienpolitische] Maßnahme nur nicht wirksam genug ist. Unangenehmer wäre es, wenn die Regierungspartei Fidesz wie andere einwanderungsfeindliche Parteien den Schwerpunkt auf Hetze gegen Kinderlose legen würde. Glücklicherweise gibt es dafür keine Anzeichen. Solange dies so bleibt, steht längerfristig die Möglichkeit offen, die Familienpolitik in der Zukunft an die Realität anzupassen, also vorrangig vor allem die Geburt des ersten und zweiten Kindes zu fördern.“

Magyar Nemzet (HU) /

Wir stehen noch recht gut da

Die Bevölkerung Ungarns nimmt langsamer ab als in manchen Nachbarländern, betont die regierungsnahe Magyar Nemzet:

„Das Narrativ ist nicht neu: Von vornherein ist nichts gut in Ungarn. ... Die Realität ist komplex, aber von den Fakten her ist klar, dass dieses mit enormer Kraft verbreitete Narrativ falsch ist. ... Wenn man die letzten fünf Jahre, also den Zeitraum zwischen 2019 und 2023 heranzieht, erfährt man, dass die Bevölkerung Ungarns um 1,2 Prozent zurückgegangen ist, wobei nur Österreich (+2,8), Slowenien (+1,4) und die Slowakei (-0,6) unter den Nachbarländern besser abschneiden. In Rumänien ist die Bevölkerung um 1,7 Prozent, in Serbien um 4,4 und in Kroatien um mehr als 5 Prozent zurückgegangen.“

Eesti Päevaleht (EE) /

Integration bewahrt die Esten als Volk

Eesti Päevaleht hält Warnungen vor einem Aussterben der Esten für stark übertrieben:

„Ein Volk, das so lange Kriege, Hungersnöte und Seuchen überstanden hat wie die Esten, ist niemals nur ein Volk des Blutes. Was zählt, ist der Geist, ob man Este sein will. Im Laufe der Jahre wurde die Zahl der Esten durch Menschen ergänzt, deren Vorfahren von anderswoher stammen. ... Im Allgemeinen kommen Leute, denen Estland aus irgendeinem Grund gefällt, hierher. Die Neuankömmlinge können die Lücke, die die niedrige Geburtenrate hinterlässt, gut ausfüllen. In der Tat gibt es nicht sehr viele Alternativen zu einem vernünftigen Maß an Migration, wenn wir den wirtschaftlichen Wohlstand erhalten wollen.“

Ilta-Sanomat (FI) /

Migration kann die soziale Krise dämpfen

Finnland braucht mangels eigenem Nachwuchs dringend mehr Einwanderung, ist Ilta-Sanomat überzeugt:

„Die größten Veränderungen hinter dem Rückgang der Fruchtbarkeit sind kultureller Natur. Die Jugend dauert viel länger als früher. Viele Menschen wollen ihr Leben fertig eingerichtet haben, bevor es Zeit ist, Kinder zu bekommen. Heute gebären finnische Frauen ihr erstes Kind mit knapp über 30 Jahren. Will man mehr Kinder haben, sollte man sie ab diesem Alter recht häufig bekommen, da die Fruchtbarkeitsrate dann bereits zu sinken beginnt. ... Die derzeitige niedrige Geburtenrate ist eine soziale Krise. Sie wird sich in den kommenden Jahren auf vielerlei Weise bemerkbar machen. Auch deshalb benötigt Finnland dringend Migranten.“