Wie lässt sich das Jachtunglück vor Sizilien deuten?

Drei Tage nach dem Untergang der Luxusjacht Bayesian in der Nähe der sizilianischen Hauptstadt Palermo schwindet die Hoffnung auf Überlebende. Offenbar kamen sieben Menschen ums Leben, darunter der britische Unternehmer Mike Lynch. Für die Presse hat das Unglück einen schalen Beigeschmack.

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Avvenire (IT) /

Selektives Mitgefühl

Avvenire beklagt, dass um gekenterte Flüchtlingsboote nicht so ein Aufhebens gemacht wird:

„Die hervorgerufene Emotion ist nicht verwunderlich und auch nicht die große Mobilisierung zur Rettung der Menschen (Westler und Wohlhabende) … Auf See sollte man immer so handeln, immer sollte man um das Schicksal der Schiffbrüchigen mitfühlen, immer sollte man die Überlebenden so schnell wie möglich an Land bringen. Doch leider gelten diese Grundregeln der Menschlichkeit nicht für alle. Auffallend ist die Distanz zwischen der berechtigten Empathie für die Passagiere auf der Jacht und der politischen, medialen, man könnte auch sagen 'anthropologischen' Behandlung der Schiffbrüchigen auf den Hoffnungsreisen vor der Südküste des Mittelmeeres.“

Irish Examiner (IE) /

Es wird noch schlimmer werden

Der Klimawandel begünstigt Unfälle wie diesen, ist Irish Examiner überzeugt:

„Rekord-Wassertemperaturen im Mittelmeer haben zum Wahnsinnssturm beigetragen, der die Jacht versenkte. Sie erreichten 30 Grad, drei Grad über dem Durchschnitt. ... Italien wird von Wissenschaftlern als einer der Brennpunkte für Klimakatastrophen in Europa angesehen, was auf eine Reihe von Schwachstellen zurückzuführen ist. ... In den letzten drei Jahren wurde das Land von verheerenden Überschwemmungen, Erdrutschen, Waldbränden, rekordverdächtigen Hitzewellen und dem Zusammenbruch eines Gletschers in den Dolomiten heimgesucht, bei dem elf Wanderer ums Leben kamen. Im Jahr 2023 gab es in Italien 378 extreme Klimaereignisse, was einem Anstieg von 22 Prozent gegenüber 2022 entspricht.“

The Independent (GB) /

Ein tragischer Unfall, nicht mehr und nicht weniger

Die Verschwörungstheorien, die nach dem Unglück im Internet kursieren, zeigen eine erkaltete Gesellschaft, die nicht mehr an Zufälle glauben kann, so The Independent:

„Wahrscheinlich wird es als tröstlicher empfunden, zu glauben, dass dunkle Mächte am Werk sind, als zu akzeptieren, dass verrückte Unfälle wie der Untergang der Bayesian passieren können und passieren. Und dass niemand von uns, egal wie reich oder gut vernetzt, vor solchen Unfällen gefeit ist. Aber Zufälle geschehen; das ist die zufällige und ungerechte Wahrheit der menschlichen Existenz, ganz gleich, wie gering die statistische Chance auf dem Papier auch gewesen sein mag. Nur weil etwas nicht fassbar und schwer zu verarbeiten ist, macht es das nicht zu etwas anderem als dem, was es gewesen ist.“