UN: Wie reformiert man eine Weltorganisation?
Moderiert von Deutschland und Namibia fand in New York der UN-Zukunftsgipfel statt. Staatschefs und Fachleute versuchten dabei, mit dem sogenannten Zukunftspakt Ansätze für Reformen zu finden, um die internationale Gemeinschaft organisatorisch fit für aktuelle und kommende Herausforderungen zu machen. Für Kommentatoren ist das Anlass, grundsätzlich über die Rolle der Weltorganisation nachzudenken.
Vetorecht abschaffen
Die wichtigste Änderung ist für Irish Examiner klar:
„Jedes Mal, wenn die Welt versucht, gemeinsam zu handeln, handelt eines der fünf ständigen Mitglieder [des Sicherheitsrats] nur in seinem eigenen Interesse. Das Vetorecht sollte abgeschafft werden. Keine Regierung sollte die Macht haben, den Fortschritt auf dem Weg zum Frieden zu blockieren. Zumindest müssen die fünf ständigen Mitglieder davon absehen, ihr Vetorecht bei Fragen im Zusammenhang mit Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Völkermord und anderen schweren Menschenrechtsverletzungen auszuüben. ... Solange die UN nicht den Willen von über 190 Ländern durchsetzen kann, sondern nur den der fünf ständigen Mitglieder, werden wir in einem endlosen Kreislauf von Konflikten und Hunger gefangen sein.“
Es braucht mehr als eine Reform des Sicherheitsrats
Ernüchtert blickt auch eldiario.es auf die UN-Vollversammlung:
„In Jahren wie diesem wird die Ineffizienz des Forums auf tragische Weise sichtbar. Es tut kaum mehr, als den Tyrannen der Welt Vorwürfe zu machen. ... Die Aufrufe zum Waffenstillstand im Gazastreifen, im Libanon und im Sudan finden kein Gehör. ... Die politische Verantwortung liegt vor allem bei den mächtigen Staaten im Westen und in den betroffenen Regionen. ... Fraglich, ob eine Reform des Sicherheitsrates etwas ändern würde, die Mächte suchen ja kaum mehr einen Konsens. ... Die Uno ist ein Spiegel, der uns die Übel der Welt zeigt. ... Wir brauchen nicht noch mehr Reden oder Resolutionen, sondern die Hoffnung, dass im nächsten Jahr weniger obskure Führer Rederecht genießen.“
Weniger reden, mehr einschreiten
Delo bemängelt:
„Staats- und Regierungschefs stellen fest, dass der UN-Sicherheitsrat seine grundlegende Aufgabe, die Menschheit vor der Geißel des Krieges zu retten, nicht erfüllt. Das ständige Mitglied Russland greift das Nachbarland Ukraine an, der Nahe Osten versinkt in Krieg und Hass, Teile Afrikas leiden unter schlechter Regierungsführung und ausländischer Einmischung. Das Problem der UN sind jedoch nicht Worte, sondern Taten, und selbst der neue Zukunftspakt stößt auf Hindernisse. Russland widersprach mit dem Argument, der Pakt vertrete westliche Interessen und verhindere eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Mitgliedsstaaten nicht. … Die Welt braucht ein Forum für Diskussionen zu diesen Fragen und Sloweniens rotierender Vorsitz im UN-Sicherheitsrat [im September] hat wichtige Diskussionen ermöglicht.“
Keine beeindruckenden Neuerungen
Der Pakt lässt zu wünschen übrig, kritisiert Avvenire:
„In Bezug auf die Reform der UN-Institutionen gibt es keine besonderen Neuerungen. Zwei Beispiele: Die größere Repräsentativität des Sicherheitsrates und die Änderungen an der Architektur des Internationalen Währungsfonds sind seit Langem bestehende Erfordernisse, für die im Pakt keine konkreten Hinweise zu finden sind. ... Es sollte auch nicht übersehen werden, dass trotz der guten Absichten die Aussicht auf eine Rolle der Uno bei der Reform des Fonds ausgeschlossen wurde. Auch im Umweltbereich gibt es zahlreiche Lücken. Man denke nur an das Fehlen direkter Hinweise auf den Zusammenhang zwischen Klimawandel und Armut und an die heikle Frage der Verteilung der Lasten des ökologischen Wandels.“
Dänemark kann jetzt seinen Beitrag leisten
Politiken sieht Grund für Optimismus, auch weil Dänemark in den UN-Sicherheitsrat gewählt wurde:
„Die offensichtlichen Mängel und Unzulänglichkeiten der Uno sind eigentlich ein Grund, sich mehr für die Zusammenarbeit zu engagieren. Die Welt ist nur so gut, wie wir sie machen. Deshalb ist es so erfreulich, dass Dänemark bald für eine gewisse Zeit Mitglied des UN-Sicherheitsrates sein wird. Mit all ihren Unzulänglichkeiten ist die Uno heute, genau wie 1945, als die Organisation gegründet wurde, die beste Hoffnung der Welt auf eine bessere, gleichberechtigte und gerechte Weltordnung. Das Glas ist halb voll, und Dänemark kann in den kommenden Jahren seinen Teil dazu beitragen, den Wasserstand um ein oder drei Striche anzuheben.“
Der gute Ruf verdient Unterstützung
Kristeligt Dagblad betont die hohe Akzeptanz der Weltorganisation:
„Angesichts der Zweifel an der Fähigkeit der Uno, ihrem eigenen Ziel, Kriege zu verhindern und die internationale Zusammenarbeit zu fördern, gerecht zu werden, ist es erwähnenswert, dass die Weltorganisation immer noch die Unterstützung der Bevölkerung genießt. Laut einer neuen Umfrage des US-amerikanischen Pew Research Center steht die Mehrheit der Bürger in 35 Ländern der Welt den Vereinten Nationen generell positiv gegenüber. Dies ist vielleicht das beste Argument für die weitere Unterstützung einer Institution, die der einzige Akteur ist, der auch nur annähernd die Chance hat, in einer Zeit, in der die Krisen der Kriege, des Klimawandels, der Migration und der antidemokratischen Bewegungen zunehmen, als Weltparlament zu funktionieren.“
Es braucht multilaterale Antworten
Le Monde analysiert:
„Die tödliche Eskalation zwischen Israel und der Hisbollah macht erneut die Hilflosigkeit der Vereinten Nationen deutlich. … Zwei große aktuelle Konflikte – die russische Aggression in der Ukraine und die Zerstörung des Gazastreifens als Vergeltung für die beispiellosen Massaker der Hamas-Miliz – haben die tragische Lähmung des Sicherheitsrats deutlich gemacht, der durch russische und amerikanische Vetos blockiert wird. … Das Paradoxe ist, dass diese negative Entwicklung mit einer wachsenden Zahl von Krisen zusammenfällt: das Implodieren von Staaten (vom Sudan über Myanmar bis Haiti), Pandemien, Migrationsströme, Klimakrise. Und alle verlangen nach multilateralen Antworten.“
Mit Trump bekommt man nichts geregelt
El País hält die Wahl in den USA für alles entscheidend:
„Sowohl die Gegenwart als auch die Zukunft – der Welt und der Organisation – scheinen weniger von einem neuen multilateralen Konsens als vielmehr von der Wahl des nächsten US-Präsidenten abzuhängen. ... Wie kann man die Klimakrise ohne den Beitrag des zweitgrößten Umweltverschmutzers der Welt bekämpfen? ... Wie kann der Hunger ohne das Engagement des größten Gebers des Welternährungsprogramms beseitigt werden? ... Ein Sieg von Harris wird keine magischen Lösungen bringen. ... Doch mit der Rückkehr von Trumps 'Feuer und Zorn' würden viele Hindernisse unüberwindbar werden.“